Teil zwei der Serie „75 Jahre Niedersachsen“ – vor Ort erlebt
duh Lüchow. Teil zwei der Serie „75 Jahre Niedersachsen“ beschäftigt sich mit den Bereichen „Schule – Freizeit – jung sein war ganz anders“. Das, was man heute als Land Niedersachsen kennt, waren bis Kriegsende vier eigenständige Länder: Braunschweig, Hannover, Schaumburg-Lippe und Oldenburg. Nach dem Krieg wurde der gesamte Nordwesten Deutschlands unter britische Militärverwaltung gestellt. Die Briten beschlossen, aus den bisherigen vier Ländern ein großes Land zu machen: Niedersachsen.
Dass in dem fernen Hannover Menschen zusammensaßen und ihre Region politisch neu ordneten, dass es neue Zuständigkeiten gab, darüber wurde in den Schulen nicht informiert. Geschichtsunterricht, politische Bildung – dies alles stand nicht auf dem Stundenplan und wurde auch nicht angesprochen.
Zeitungen und Radio waren im Alltag noch keine Selbstverständlichkeit. Laut Dr. Rolf Meyer aus Wustrow gab es vom 21. 4. 1945 bis zum 24. 9. 1949 in Lüchow-Dannenberg keine Regionalzeitung. Die Lüneburger Landeszeitung, die im heutigen Landkreis verkauft wurde, bot dafür in regelmäßigen Abständen eine Dannenberg-Seite. In einigen Haushalten gab es Radios. „In Nemitz“, erzählt Liselotte Schulz, „gab es viele Einquartierungen. Da war ein Herr dabei, der war Radiotechniker, der hat uns dann ein anderes Radio gebastelt. Die meisten hatten nur einen Volksempfänger, die sogenannte „Goebbels-Schnauze“. Da konnte man ein bisschen mehr empfangen als auf dem Volksempfänger. Aber als Kind habe ich da nicht hingehört.“ 1945/46 gab es in Blütlingen fünf Telefone: Gastwirtschaft, Bürgermeister, Förster, ein Bauer und der Lehrer hatten einen Anschluss. Aber es gab zehn Drähte – und die Jungs damals waren sich ganz sicher: fünf Leitungen für hin und fünf für zurück. Einer von seinen Freunden hatte ein Feldtelefon geschenkt bekommen. Neben dem Telegrafenmast lud ein Kletterbaum gerade dazu ein – zumal man sich auch gut in ihm verstecken konnte –, von ihm aus das Feldtelefon an die Telefondrähte anzuschließen. Und dann? Abhören? Telefonieren? Aber ob das geklappt hat – daran konnte sich Heinrich Schulz nicht mehr erinnern. In der Gestaltung des Schulunterrichtes nahm der überregional gesendete Schulfunk eine ganz zentrale Funktion ein. Jeden Morgen um 9 Uhr, so erinnert sich Liselotte Schulz, war Schulfunkzeit. Manche haben es in ihren Klassenräumen gehört, andere gingen im Klassenverband in den Physikraum – wo auch immer das Radio stand. In Erinnerung geblieben ist, dass es „ein Thema gab, und dann konnte man einen Aufsatz dazu schreiben. Der wurde eingeschickt, und wenn man Glück hatte, wurde der auch im Radio vorgelesen. Ich weiß, wir haben da ganz viel mitgemacht.“ Die Lehrkräfte waren bemüht, die Kinder „aus dem Nazi-Kram“ rauszuholen, ihre Fantasien für einen anderen Lebensalltag anzuregen. Alles war knapp – auch Papier und Schulhefte. Als Liselotte Schulz 1945 wieder zur Schule ging, „mussten wir die Hefte, die es ja kaum gab, einmal mit Bleistift vollschreiben und das nächste Mal mit Tinte. Dann konnte man das Heft zweimal benutzen.“ Strafarbeiten durften nicht in die guten Schulhefte geschrieben werden, dafür mussten die Zeitungsränder abgeschnitten und darauf geschrieben werden. Für Konrad Stützer und seine Freunde war „der erste Ausflug mit der Schule mit einem Lkw zum Höhbeck. Die Mädchen auf dem Anhänger, die Jungens auf dem Zugwagen. Das war unser erster Urlaub.“ Unvergesslich ist die Schulspeisung: Die Kinder, sofern ihre Eltern keine sogenannten „Selbstversorger“ waren, brachten zur Schule einen leeren Henkeltopf mit, in den das Mittagessen gefüllt wurde. Damit die Kinder das auch aßen, wurde in der Schule gemeinsam gegessen.