Teil III der Serie „75 Jahre Niedersachsen“: Grenzziehungen
duh Lüchow. Teil III der Serie „75 Jahre Niedersachsen“ beschäftigt sich mit den auch heute wieder brandaktuellen Themen Flüchtlinge und Armut. Zum Hintergrund: Das, was man heute als Land Niedersachsen kennt, waren bis Kriegsende vier eigenständige Länder: Braunschweig, Hannover, Schaumburg-Lippe und Oldenburg. Nach dem Krieg wurde der gesamte Nordwesten Deutschlands unter britische Militärverwaltung gestellt. Die Briten beschlossen, aus den bisherigen vier Ländern ein großes Land zu machen: Niedersachsen. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg gehörte vor dem Krieg zum Land Hannover und stand damit unter britischer Besatzung.
Die Alliierten hatten Deutschland in vier Sektoren aufgeteilt, die ziemlich exakt abgegrenzt waren. Zwischen dem westlichen und dem östlichen Sektor war die Grenze allerdings noch nicht total abgeriegelt. In dieser Zeit gab es zwar schon die kontrollierenden Soldaten, jedoch keine Zäune, Mauern oder Erdminen. Diese Möglichkeit nutzten viele Menschen, um nachts im Schutz der Dunkelheit die Grenze zu überwinden. In der Erinnerung von Rolf Meyer, der damals in Wustrow lebte, war es an manchen Tagen ein langer Zug von Menschen, der durch die Straßen Richtung Bahnhof ging. In den besonders grenznahen Orten des Kreises war es keine Seltenheit, dass „der Vater noch nachts mit Pferd und Wagen losgefahren ist und die Flüchtlinge von der Grenze geholt hat. Aber nicht von der Straße.“
Aus Kindersicht hatten diese ersten Nachkriegsjahre durchaus ihre Vorteile. In den Dörfern waren viele Evakuierte und Flüchtlinge – und unter ihnen viele Kinder. Das brachte natürlich viele neue Spielkameraden mit, die ihnen ganz neue Welten eröffneten. So war es für Lieselotte Stützer ihre erste Begegnung mit Micky Maus: „Ein Junge hatte ein Kaleidoskop mitMicky Maus. Wir hatten doch noch nie was von Micky Maus gehört. Das war ja für uns der Hammer!“
Die Winter waren kalt und für die Menschen in ihrem Überlebenskampf eine sehr harte Zeit.
Von einer bleibenden und sehr beeindruckenden Erinnerung erzählt Dr. Rolf Meyer, der von sich selbst sagt, dass er sehr behütet aufgewachsen ist und keine Not gelitten hat. Für die Schulzeit bekam er immer eine Stulle mit. „In einer Pause kam ein Mädchen auf mich zu und wollte gerne die Stulle haben.“
Die ersten Flüchtlinge wurden bei hier lebenden Familien, mit mehr oder weniger Zwang, einquartiert. Als der zur Verfügung stehende Raum immer weniger wurde, wurden zwischen Wustrow und Blütlingen ganz einfache, sogenannte Behelfsheime, aus Holz gebaut, die später wieder abgerissen wurden. Rolf Meyer entsinnt sich noch, dass es fünf solcher Heime gab und in jedem zwei Familien lebten. Rückblickend betrachtet waren für Meyer die zwischen Wustrow und Blütlingen extra für Flüchtlinge aufgestellten Baracken ein sichtbarer Ausdruck der herrschenden Not in der Bevölkerung.