Autorin Karin Toben stellt neues Buch mit Biografien von Zwangsausgesiedelten vor
bv Rassau. „Wer hier an der Elbe im ehemaligen Sperrgebiet anfängt, in den Geschichten der einstigen Bewohner zu graben, der wird nicht so schnell auf festen Grund stoßen. Es verzweigt sich in die verschiedenen deutschen Geschichtsebenen. Es fängt vor dem Krieg an, in der Nazizeit. Dann kommen die Russen. Es gibt Todesurteile. Dann geht es weiter – mit der Zwangskollektivierung. Es folgt Gewalt – körperliche, geistige und psychische Gewalt. Solche Geschichten kann man hier finden – wenn man lange genug fragt.“ Karin Toben, langjährige Journalistin aus Lüneburg, die nach der Wende ins ostelbische Rassau gegenüber von Hitzacker zog, hat nachgefragt: freundlich, aber hartnäckig. Und so ist die 73-jährige auf ebenso faszinierende wie erschütternde Geschichten gestoßen. Ihr erster Band „Heimatsehnen“ aus dem Jahr 2008 ist längst vergriffen. Da aber die Nachfrage nach dem Buch nach wie vor hoch sei, hat sich die Autorin entschieden, noch einmal nachzufragen – diesmal bei den Kindern und Enkeln der von der Grenze Vertriebenen. Ihr neuestes Buch zur „Aktion Ungeziefer“, Titel: „Heimatsehnen nimmt kein Ende“, wird heute erstmals in Rassau öffentlich präsentiert. Am Sonnabend stellt Toben es ab 16 Uhr in der „Alten Sargtischlerei“ in Hitzacker vor. In ihrem vierten Band erzählt sie etwa die Geschichte von Holger Zerbin, dem Arzt, der bis zu seinem Tod in Hitzacker praktizierte. Als junger Mann war er aus Vockfey nach Hitzacker über die Elbe geflüchtet. Ein Problem bei ihrer Arbeit sei, so berichtet Toben: „Heute liegt über allem der Dunst des Vergebens und Vergessens – keiner weiß mehr was, keiner will mehr was wissen, und alle sind froh, dass die Zeiten, wo Unrecht geschah, vorbei sind.“ Ein weiteres Problem: „Die Generation, die das erlebt hat, ist gar nicht mehr am Leben.“
Zum vierten Mal hat Karin Toben, Ostfriesin des Jahrgangs 1948, die Lebensgeschichten von ehemaligen DDR-Bürgern aufgeschrieben. Das nun vorliegende Buch erinnert daran, dass vor 70 Jahren die erste große Welle von Zwangsaussiedlungen die Bewohner der Elbe-Dörfer traf. Die nach 2008 im Jahr 2022 begonnene erneute Suche nach den Opfern von 1952 endete oft bei Kindern und Enkeln, brachte aber auch bislang unbekannte Lebensgeschichten aus Rassau, Bohnenburg oder Privelack zutage – und die Erkenntnis ,,Heimatsehnen nimmt kein Ende“.