Einblicke in Geselligkeit
rs Dannenberg. Ein dicker Aktenordner liegt auf dem Tisch, der nahe dem Fenster steht, durch das man auf die nahe liegende St.-Johannis-Kirche schaut. Die Dannenbergerin Carla Michel öffnet den Ordner, in dem sie chronologisch Zeitungsausschnitte, Liedertexte und allerlei anderes zum Thema lebendiger Advent gesammelt hat. „2005 fand der erste statt“, berichtet die 83-Jährige, die die allabendliche Zusammenkunft in der Adventszeit in der Jeetzelstadt initiiert hatte.
„Wie es dazu kam?“, fragt Michel und führt aus: „Es war in der Adventszeit 2004. Bekannte berichteten, dass sie zum Einkaufen nach Lüneburg fahren wollen, weil sie Dinge erwerben wollten, die es ihrer Ansicht nach in Dannenberg nicht gebe. Als ich – im Wissen um die Existenz der Ware vor Ort – sagte, warum fragt ihr in hiesigen Geschäften nicht einfach nach, erhielt ich die Antwort: ,Wir können doch hier nicht nur schauen, ohne zu kaufen. Man kennt uns doch hier‘.“ Dieser Umstand habe sie nicht in Ruhe gelassen. Michel wollte eine Veranstaltungsreihe begründen, bei der man in der Vorweihnachtszeit ein paar stimmungsvolle Minuten gemeinsam verbringt und dabei zudem ohne Schwellenängste Einblicke in die Möglichkeiten der örtlichen Geschäftswelt erhält, jedoch ohne dass der Kommerz im Vordergrund steht. Die Idee des lebendigen Adventskalenders, der Erste seiner Art in Lüchow-Dannenberg, war geboren.
Für die Premiere waren schnell 24 Teilnehmer gefunden, die um 17 Uhr eines der Kalendertürchen öffneten, hinter dem eine kleine Überraschung steckte – in Geschäften, Gaststätten, Büros und natürlich in Einrichtungen der Kirche, die maßgeblich zum Gelingen beitrug und beiträgt. „Denn Weihnachten ist ein christliches Fest!“, unterstreicht Michel. Aber auch die Verwaltung und der Stadtrat haben Anteil am Adventskalender, der mittlerweile quasi volljährig ist. Beonderen Dank zollt die Initiatorin den Pastoren Klaus-Markus Kühne und Susanne Ackermann sowie der Familie Theivagt. Seit 2005 koordiniert das Stadtmarketing das mehrteilige Event federführend, welches – trotz Corona – ohne Unterbrechungen, allerdings dann mit Einschränkungen, stattfand. Aber Michel, die bis zu diesem Datum hauptverantwortlich für die Gestaltung war, ist ihrem Kalender weiterhin treu.
Das Grundkonzept ist nach wie vor identisch: Vor dem Türchen finden sich um 17 Uhr bis zu 80 Gäste ein (meist sind es um die 30), wo man gemeinsam Weihnachtliches singt und einer Geschichte, vorgetragen von einem Kirchen-/ oder Stadtratsrepräsentanten, lauscht. Dann öffnet sich die Tür. Die Gastgeber dürfen zu der wartenden Gemeinde sprechen, ihre Waren und Angebote erläutern. Erst dann dürfen die Gäste kommen – die Kinder zuerst, die eine Überraschung, meist kleine Leckereien, erhalten. Über die Jahre habe sich ein fester Kern gebildet, merkt Michel an, der sich regelmäßig trifft, die Vorweihnachtszeit gemeinsam genießt. „Was wir nicht alles in dieser Zeit erlebt haben!?“, schaut Michel auf die 18 Jahre zurück: „Schokoladenbrunnen sprudelten bei Famila, der Apotheker Schmitz verkleidete sich als Nikolaus und, und, und.“ Aber man sieht durch die Aufzeichnungen in dem Ordner auch, dass es etliche Geschäfte in der Jeetzelstadt nicht mehr gibt beziehungsweise, dass die Geschäfte mehrere Inhaberwechsel hinter sich haben.
Michel freut sich auf jedes Türchen, auch weil sie als Kriegskind – die gebürtige Hamburgerin wurde 1943 in Hamburg-Wedel ausgebombt und kam so nach Jeetzel – weiß, dass die Adventszeit ganz anders verlaufen kann.