Rettung aus der Ferne

Telenotarzt zum Jahresende auch im Landkreis?

jh Dannenberg. Der niedersächsische Landtag hatte es im Mai beschlossen, nun macht das Bundesland große Schritte bei der Einführung des sogenannten Telenotarztes. Auch für Lüchow-Dannenberg wäre dies eine willkommene Stärkung der medizinischen Abdeckung, wenn sich ein Mediziner per Video zu einem Notfall hinzuschalten kann, wo kein konventioneller Arzt vor Ort ist.

Er sei für den Landkreis froh und werde ruhiger schlafen können, bewertet Matthias Franke von der Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg die technische Neuerung. Noch in diesem Jahr könnte es so weit sein, blickt der Ärztliche Leiter des hiesigen Rettungsdienstes guten Mutes voraus. Die Verantwortlichen seien derzeit in Verhandlungen mit den Kos­tenträgern, also den Krankenkassen. Die sollen die notwendige Ausrüstung wie Software und Headsets bezahlen. Franke setzt sich bei Politik und Kos­tenträgern längst für eine bessere Notarztversorgung im Kreisgebiet ein, warnt vor den Lücken, die vor allem im Ostkreis bestünden. Mit dem Telenotarzt hatte er trotz der erfolgreichen Pilotphase des Telenotfallsystems in Goslar erst in einigen Jahren gerechnet.

Für eine zielführende Behandlung aus der Ferne greift die Medizin auf einige Weichenstellungen der Vergangenheit zurück. So sind ausreichend große Kommunikationskanäle notwendig. Auch der vor etwa zehn Jahren neu eingeführte und durch eine längere Ausbildung über mehr Kompetenzen verfügende Notfallsanitäter bildet einen wichtigen Basisbaustein für den Telenotarzt, der dieselben Patientendaten, beispielsweise EKG und Blutdruck, wie die Rettungskräfte vor Ort sehen soll, sie anleitet und über Lautsprecher gegebenenfalls auch mit dem Patienten reden kann.

Um Telenotarzt zu werden, bedarf es großer Erfahrung und einer Zusatzausbildung. Matthias Franke will diese im Oktober absolvieren. Er rechnet mit einigen Telenotärzten im Land, die kreisübergreifend arbeiten werden. Der müsse schließlich auch nicht um die Ecke sein, meint Franke und verweist noch auf einen zweiten Aspekt, der die notfallmedizinische Versorgung in Lüchow-Dannenberg deutlich verbessern könnte. Denn nach einem Notfall kommen Patienten häufig in Spezialkliniken außerhalb des Kreisgebietes – und mit ihm fährt der Notarzt oder ein anderer geeigneter Mediziner, der damit erst einmal abwesend ist. Bei diesen sogenannten Sekundärtransporten könnte künftig der Telenotarzt das Personal der Klinik entlasten.

Die Notwendigkeit sieht auch Dannenbergs Krankenhaus­direktor Hans-Werner Kuska. Es zeichne sich ab, dass die Besetzung der Dienste über die Jahre immer schwieriger werde, weil junge Ärztinnen und Ärzte immer weniger die erforderliche Ausbildung absolvierten und auch zu familiär ungünstigen Zeiten stattfindende Einsätze nicht leisten wollten. Kuska sieht wie Franke derzeit Probleme, den Landkreis im Notfall genügend zu versorgen. Demnach könnten die besonderen geografischen Voraussetzungen und die Streckenlänge beziehungsweise die zeitliche Entfernung zwischen den Eckpunkten des Landkreisgebietes in der jetzigen Organisationsform zu schwierig abzudeckenden Situationen führen. Unabhängig vom Einzelfall sei daher jeglicher Einsatz von technischen Hilfsmitteln außerordentlich zu begrüßen, erklärt Kuska. Und: Falle die Bewertung bei Ärzten, Krankenkassen und Landkreis positiv aus, biete die Telemedizin erhebliche Chancen der Versorgungssicherung und -unterstützung.

Das Pilotprojekt in Goslar hat gezeigt, dass in etwa jedem zweiten Einsatz kein Notarzt erforderlich gewesen wäre. Ein Telenotarzt könnte in einem solchen Fall seine räumliche Unabhängigkeit ausspielen und sich schnell anderen Einsätzen zuwenden. Bei einer Informationsrunde in Goslar über das neue Fernmedizinsystem stellte sich heraus, dass der Telenotarzt aber kein vollständiger Ersatz sein werde und bestimmte Ernstfälle weiterhin eine Vor-Ort-Präsenz benötigen. Inzwischen würden in Niedersachsen rund 1,2 Millionen Menschen durch das Telenotarztsystem erreicht.

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