Friedhof der Zukunft

Initiative präsentiert neue Wege der Trauerbewältigung

lk Regional. Trauer ist nicht nur ein emotionaler Zustand, der uns alle betrifft, sondern auch eine gesellschaftliche Aufgabe: Jeder von uns wird früher oder später um den Verlust geliebter Menschen trauern. Dieser Trauerschmerz kann sich in eine Trauerstörung verwandeln. Erkenntnisse der Initiative „Raum für Trauer“ zeigen, dass es vielen Menschen hilft, ihrem Schmerz nahe beim Verstorbenen, nämlich direkt am Grab, Ausdruck zu verleihen. Ideeller Träger dieser Initiative ist die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V., deren Geschäftsführer Dr. Dirk Pörschmann erklärt: „In Lebenskrisen geben Rituale Sicherheit. Nur wenn wir verstanden werden und unserer Sehnsucht Ausdruck geben dürfen, finden wir Trost.“ Viele Hinterbliebene verarbeiten ihre Trauer am besten durch indi­viduelle Handlungen direkt am Grab. „Mit dieser Nähe und Handlungsfreiheit am Grab“, erläutert Pörschmann weiter, „können Trauernde ihre Beziehung zum Verstorbenen allmählich von einer lebendigen zu einer inneren Beziehung wandeln – sie finden Trost.“ Das sei jedoch bei den meisten aktuellen, pflegefreien Beisetzungsformen nicht vorgesehen. Wo das verboten sei, geschehe es, so Pörschmann, meist trotzdem – „und dabei entstehen oft Konflikte, die der Trauerverarbeitung entgegenstehen.“

Wenn Angehörige sterben und Beisetzungen organisiert werden müssen, befinden sich Hinterbliebene oft in einem Ausnahmezustand. Dann wird oft nicht auf die Details geachtet. Der gesellschaftliche Wandel hat in den letzten Jahrzehnten viele pflegefreie Grabformen hervorgebracht, bei denen satzungsgemäß keine persönlichen Gegenstände abgelegt werden dürfen – nicht nur auf Friedhöfen, sondern auch in Beisetzungswäldern.

Der Zustand der Trauer ist Ausdruck tiefer Sehnsucht und ein stummer Schrei nach Hilfe. Spätestens dann sind Lösungen gefragt. Alles, was Trauernden hilft, ist grundsätzlich wichtig. Trauer nach und nach zu verarbeiten heißt, sie in liebevolles Gedenken zu wandeln. Viele Menschen benötigen dafür die Nähe zum Verstorbenen und Rituale, wie das Ablegen oder Aufstellen von Blumen oder anderen persönlichen Gegenständen direkt am Grab.

In einem weltweit ersten Experimentierfeld, einer etwa 6.000 Quadratmeter großen Anlage, präsentiert die Initiative „Raum für Trauer“ nun auf dem sogenannten Campus Vivorum in Baden-Württemberg, wie auch pflegefreie Beisetzungsorte künftig (neu)gestaltet werden sollten, um Trauernden besser bei der Verarbeitung ihrer Trauer zu helfen. Mit dem Projekt will die Initiative ihre Erkenntnisse aus jahrelanger interdisziplinärer Forschung zunächst Friedhofsverwaltern und -planern vermitteln. Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx vom Zukunftsinstitut Frankfurt/Main und Wien, der seit Jahren an der Arbeit der Initiative mitwirkt und eine Studie beigesteuert hat, sagt zum Campus Vivorum: „Hier werden Trauerkultur und Friedhofsentwicklung in die Zukunft gedacht – für jede Gemeinde und jede Stadt ein enorm wichtiges Thema.“

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