bv Grippel. Hans-Jürgen Kelm habe in seinem Garten in Grippel, der rund 1.000 Quadratmeter groß ist, in einer Nacht einmal 200 Nachtfalter bestimmt. Verschiedene, wohlgemerkt. Seine Frau Heinke Kelm erzählte die Geschichte am Sonnabend in ihrem Garten, um zu verdeutlichen, dass schon kleine Grundstücke, wenn sie richtig behandelt werden, zu wahren Hütern der Artenvielfalt werden können.
Heinke Kelm hatte zusammen mit ihrem Mann, dem pensionierten Förster, zu einem „Tag des offenen Gartens“ eingeladen. Gleich drei Institutionen hatten sich beteiligt: Die „Wilde Wiese Wendland“, der BUND und der botanische Arbeitskreis. Und die Besucher strömten – zeitgleich drängten über 50 Besuchende gleichzeitig durch den Garten, lauschten dem fachkundigen Vortrag von Heinke Kelm und tauschten sich anschließend bei Kaffee und Kuchen aus. Laut Pkw-Kennzeichen kamen Besucher nicht nur aus Lüchow-Dannenberg, sondern auch aus dem Altmarkkreis, Ratzeburg und Westerstede.
Vorab: So wild wirkt der Garten gar nicht, ist aber derart raffiniert angelegt, dass er 200 verschiedene Wildpflanzenarten und auch 200 Kulturarten beherbergt. „Uns geht es darum zu zeigen, wie ein Garten zur Artenvielfalt beitragen kann, und in Diskussion zu kommen“, erläutert Kelm.
Dort sind echte Raritäten zu finden, wie etwa der Großblütige Fingerhut, von dem es nur noch einen einzigen Standort in Lüchow-Dannenberg gibt. In ihrem Garten pflegt Kelm eine Erhaltungskultur. Daneben steht die Graue Skabiose – sie steht auf der Roten Liste, in ganz Niedersachsen gibt es nur noch zwei Standorte. In Kelms Garten wird, um die Population zu stützen, die Kultur erhalten, aber auch, um neue Standorte zu gründen.
Aber auch Neophyten, neue Pflanzen, die lokal nie vorkamen, gedeihen im Wendland gut – oft zu gut, weshalb sie eingedämmt werden müssen. So auch der „Schmetterlingsflieder“, Buddleja, über den Heinke Kelm sagt: „Wenn man eine scharfe Schere hat und sie auch nutzt, dann darf man auch Problemarten anpflanzen.“
Georg Wilhelm und Bea Ceipek vom Bündnis Wilde Wiese Wendland standen in Grippel ebenfalls Rede und Antwort. Das Aktionsbündnis zur Rettung der regionalen Artenvielfalt will „Grünflächen für die Artenvielfalt sichern und miteinander zu einem Netz verbinden“, erläuterte Wilhelm. Das Ziel: „Artenreiche Mähwiesen, kräuterreiche Weiden und vielfältige Brachflächen – sie bieten Lebensräume für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren.“
350 Hektar Fläche hat das Bündnis in Lüchow-Dannenberg bereits zusammen. Wilhelm und Ceipek engagieren sich bereits seit Jahren für mehr regionale Artenvielfalt. Neben großen Flächen zählen auch kleinere Grundstücke privater Eigentümer dazu – entscheidend sei „der gute Wille und die richtige Beratung“, betont Wilhelm. „Viele Menschen wollen etwas für den Naturschutz tun, wissen aber nicht so recht, wie. Oft reicht schon ein kleiner Anstoß.“
Das Bündnis unterstützt dabei, Flächen zu vernetzen, sodass wertvolle Lebensräume für Insekten entstehen. „Es geht nicht darum, einzelne Inseln im Meer zu schaffen, sondern ein Verbundsystem, in dem Arten wandern und überleben können“, erklärt Bea Ceipek. Selbst Gärten oder Balkone können wichtige Rückzugsorte sein. Wie artenreich schon kleinere Grundstücke sein können, zeigt ein Beispiel: Auf seinem Grundstück von 1.600 Quadratmetern wurden allein 55 Wildbienenarten nachgewiesen, berichtet Wilhelm – „vermutlich sind es sogar noch mehr. Solche Flächen können echte Rettungsinseln für seltene Arten sein.“