DAN bleibt gesund! sprach mit den Gründerinnen der Selbsthilfegruppe Sternenkinder Wendland
Stefanie Kretschmer hat es selbst durchlebt. „Die Trauer ist unermesslich. Für das Umfeld geht das Leben irgendwann weiter, für mich war es damals noch lange nicht abgeschlossen. Die nächste Selbsthilfegruppe war in Uelzen. Daher habe ich mich vor etwa drei Jahren entschieden, selbst eine Gruppe zu gründen.“ Denn viele Frauen fühlen sich danach allein, manchmal sogar vom Umfeld unverstanden, und in ihrer Trauer nicht ernst genommen. „Das geschieht besonders in den Fällen, in denen es sich um eine frühe Fehlgeburt handelt, bei der die Frau das Baby in den ersten Schwangerschaftswochen verliert. Dann heißt es oft: „Da war doch noch gar nichts“. Das hilft einem in dem Moment nicht weiter und es stimmt so auch nicht“, erklärt Kretschmer und ergänzt: „In unserer Gruppe sind ausschließlich betroffene Eltern, sogar drei Väter kommen gelegentlich vorbei. Derzeit sind wir sieben aktive Mitglieder, die regelmäßig kommen.“ Fast hätte es mit der Gruppe nicht geklappt, denn die ersten Male saß sie ganz allein in dem vom Allerlüd zur Verfügung gestellten Raum. Das ging fast ein halbes Jahr so. Niemand kam. „Ich habe immer ungefähr eine halbe Stunde gewartet. Eines Abends dachte ich dann: Jetzt ist Schluss, ich habe es wenigstens probiert.“ Kurz vor Ablauf der 30 Minuten, die Kretschmer sich wieder als Wartezeit gegeben hatte, kam dann eine Frau, die auch schon länger von diesem Angebot wusste, aber auch gezögert hatte. „Mittlerweile sind wir Freundinnen“, blickt die Gründerin zurück.Trotz der freundschaftlichen Beziehungen untereinander empfinden die Teilnehmer die Selbsthilfegruppe auch als eine Art der Therapie, die eben „so lange dauert, wie sie dauert, denn Trauerverarbeitung ist ein langer Prozess“, erzählt eines der Mitglieder. „Natürlich ist es so, dass im Falle eines Traumas professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden sollte. Für das Umfeld ist das Thema irgendwann abgehakt, aber für die Betroffenen besteht oftmals noch Redebedarf. Das machen wir dann innerhalb der Gruppe.“
Der Verwaltungsdirektor der Capio-Elbe-Jeetzel Klinik Achim Schütz informiert: „In 2013 kamen in Deutschland 2556 Kinder tot zur Welt. Dabei handelt es sich aber nur um Kinder mit einem Mindestgewicht von 500 Gramm. Säuglinge, die unter diese Grenze fallen, werden nicht erfasst. Experten schätzen, dass zwischen 0,2 und 0,3 Prozent aller Kinder in Deutschland tot zur Welt kommen.“
Auch für die Hebammen sind es schwere Stunden, wenn eine Geburt diesen Verlauf nimmt. „Wir trauern mit den Müttern und sind ja auch schon mehrere Stunden vor der Geburt mit ihnen zusammen. In dieser Zeit versuchen wir Raum und Zeit zu geben, sich auf die Geburt vorzubereiten“, berichtet eine der Hebammen. Im Anschluss kann die Familie, so lange sie möchte, mit dem verstorbenen Baby zusammen bleiben. Die Hebammen helfen auch beim Anziehen, wenn es gewünscht ist oder machen einen Fußabdruck des Babys. „Außerdem gibt es einen ehrenamtlichen Verein „DEIN Sternenkind“, dem Fotografen aus ganz Deutschland angehören und die kostenlos Bilder machen. Denn diese Bilder sind das Einzige, was den Familien bleibt.“ Manche Mütter möchten das Kind gar nicht sehen. „Aber wir versuchen immer, diese zu überzeugen, weil wir denken, dass diese Verabschiedung sehr wichtig ist.“ Für einen würdevollen Abschied der Kinder haben sich Vereine mit ehrenamtlichen Näherinnen organisiert, die in verschiedensten Größen Sternenkinderkleidung, Einschlagdecken, Stoffkörbchen und kleine Erinnerungsstücke anfertigen. Ein entscheidender Faktor sei aber auch die medizinische Beratung, wie der Chefarzt der Dannenberger Klinik, Marek Loroch, erläutert. „Besonders, wenn der Grund für das Versterben durch einen genetischen Defekt erfolgte, sollte man vor einer weiteren Schwangerschaft über eine humangenetische Beratung und Abklärung nachdenken.“
Eltern haben das Recht, auf eigenen Wunsch auch ein fehlgeborenes Kind bestatten zu lassen. Ein weiterer wichtiger Schritt für die Verarbeitung, wie eine betroffene Mutter berichtet. „Durch den Verlust hat man das Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben. Die eigene Welt steht Kopf. Die Organisation der Beisetzung gibt einem etwas von dieser Kontrolle wieder zurück. Je mehr Entscheidungen man treffen darf und je mehr man mitgestalten kann, umso besser kann man anfangen zu verarbeiten und sich verabschieden. Rituale sind eine große Unterstützung“.