Der Weg ist das Ziel

Jakobsweg Teil III – Ankommen in Santiago

bv Lüchow/Santiago. Frage an Lehrerin Elke Pengel: Wie ist das mit den anderen Wanderern, kommt man – und wie kommt man – in Kontakt? Es ist ja viel los auf dem Jakobsweg.

„Das Schöne ist, man geht mit verschiedensten Menschen gemeinsam los und läuft sich immer wieder über den Weg. Da bilden sich Freundschaften, die halten bis heute. Bei mir war es eine Gruppe von etwa 50 Menschen, die gemeinsam gestartet sind. Da waren sogar Koreaner dabei, und Amerikaner. Die waren schließlich etwas schneller am Ziel, weil sie nicht so viel Zeit hatten. Wir haben uns zwischendurch immer wieder getroffen, haben gemeinsam gegessen, interessante Gespräche geführt. Und eine WhatsApp-Gruppe gebildet, um Tipps und Hinweise auszutauschen. Wo kann man gut übernachten, wo gut essen? Das war toll. Wir haben uns auch verabredet, und am Ende Fotos ausgetauscht.“

Man kann den Jakobsweg übrigens auch zu Pferde bewältigen, oder mit dem Fahrrad. Elke Pengel berichtet: „Die Radler waren allerdings etwas gefährlich. Plötzlich ertönt von hinten ein Ruf, dann sausen fünf Räder an einem vorbei. Sogar downhill, wo ich mich vorsichtig mit meinen zwei Wanderstöcken abwärts bewegte, die Räder aber mit einem Affenzahn.“ Das kann auch mal böse ausgehen. Am Wegrand stehen immer wieder Gedenktafeln: „Fin de Camino“, Ende des Wegs, für Menschen, die auf dem Jakobsweg verstorben sind. Das muss nicht immer durch einen Unfall passieren, auch eine Herzerkrankung kann das Ende bedeuten. „Wir haben mal einen älteren Mann getroffen, da haben wir gedacht, der überlebt die Nacht nicht. Hat er aber“, berichtet Pengel. „Ich bin schon ein gläubiger Mensch. Ich bin vorher im Wendland zu einem Pilgersegen gegangen, den mir Michael Ketzenberg gegeben hat. Es war sein erster, und es war mir wichtig, dass ich gesegnet auf den Weg gehe. Unterwegs wurden immer wieder Pilger­messen abgehalten, natürlich alle nach dem katholischen Ritus.“

Elke Pengel pendelt sich schnell auf 20 Kilometer Wegstrecke pro Tag ein – viel. „Ich habe drei Erholungstage zwischendrin eingelegt, mehr nicht.“ Sie nutzt die Ruhetage für Sightseeing, aber am Ende legt sie in der Stadt Léon einen Ruhetag ein, an dem sie nur schläft. „Das war nach 40 Tagen und fast 800 Kilometern, da war ich echt erschöpft.“ Und als sie einige Tage später Santiago de Compostela erreicht, fließen Tränen – Tränen der Erleichterung, der Freude.

Eigentlich hatte Elke Pengel geplant, im Anschluss an ihre 45-tägige Wanderschaft auch noch bis zum Atlantik weiterzugehen, bis zum „Ende der Welt“, wie das Kap Finisterre genannt wird. Aber das wird nichts – diesmal jedenfalls. „Es hatte geregnet, den ganzen Tag. Es war ziemlich kalt. Und ich ziemlich erschöpft. Plötzlich habe ich gemerkt: Das wird nichts mehr, das hole ich irgendwann nach.“ Sie setzt sich ins Taxi, fährt zum Flughafen, und wartet auf den nächsten freien Platz in die Heimat. Aber sie wird den Weg bis zum Atlantik noch gehen – genau ein Jahr später. Darüber berichtet der Kiebitz demnächst.

Am Ende ihres Jakobsweges steht für Elke Pengel die Erkenntnis, dass „der Weg das Ziel“ ist. Und dass die Weggefährten eine gelungene Reise ausmachen. „Es war gut, auf ein Ziel zuzugehen und in Santiago anzukommen, aber die Erfahrungen unterwegs waren wichtiger als das Ankommen. Ich hatte das Gefühl, dass ich frei war, ich musste nur aufstehen und losgehen. Dann etwas essen, abends ein Bett beziehen und schlafen. Es gab keine Termine, keine Konferenzen, keine Verantwortung – wohltuender Abstand zum Alltag. Ich hatte Zeit für mich, Zeit für Begegnungen, Zeit für die Natur. Alles, was man hat, trägt man bei sich. Mehr braucht man nicht.“ Eine andere Erkenntnis hat Elke Pengel noch. Sie rät allen, die Ähnliches planen: „Geht los! Schiebt das nicht auf!“

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