Lesung und Gespräch mit Josephine Links
bm Lüchow. „Manches geschieht unhörbar leise, ganz so, als wollte es die Wucht verschleiern, mit der die Veränderung eintritt.“ Das ist ein Satz aus dem Buch „Stilles Herz“ von Josephine Links. Diese Worte beschreiben ein wenig von dem, was ihr passiert ist. Vor neun Jahren. Als ihre kleine Tochter tot zur Welt kam. Es geschah von jetzt auf gleich. Die Schwangerschaft verlief komplikationslos und normal, wie sie beschreibt. „Meine Frauenärztin hatte so ein ganz modernes 3D-Ultraschallgerät, bei dem man viel sehen konnte. Alles war perfekt“, blickt die Wahl-Wendländerin zurück. Und eben weil alles so perfekt war, entschieden sie und Ehemann Michel sich dazu, in ein Geburtshaus in Berlin – wo sie damals noch lebten – zu gehen. Die Geburt verlief normal, es habe keine Anzeichen für ernsthafte Probleme gegeben. „Aber als sie geboren war, hatte sie die Nabelschnur zweimal eng um den Hals gewickelt. Sie hat nicht angefangen zu atmen. Es hat einfach nicht mehr gereicht. Wahrscheinlich hätte man in einem Krankenhaus besser helfen können, warum das passiert ist, ist bis heute nicht geklärt.“
Heute kann sie darüber sprechen. Vieles ist in ihrem Buch verarbeitet, geklärt und erzählt. Und sie möchte darüber sprechen. „Ich möchte damit anderen Frauen helfen, denen das Gleiche oder Ähnliches passiert ist. Totgeburten und Fehlgeburten sind immer noch ein Tabuthema, niemand spricht gerne darüber. Viele leiden still. Aber niemand muss sich schämen für die starken Gefühle, die damit einhergehen.“ Im Buch schreibt sie zwar über sich, aber ihre Figuren heißen Clara, Erik und Milla. „Diese Erzählebene war mir wichtig. Und mit der Figur von Clara, die mit Geflüchteten arbeitet, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Denn wenn man selbst etwas Schlimmes erlebt hat, dann wird einem bewusster, dass andere Menschen auch schlimme Dinge erleben.“
Die gebürtige Berlinerin ist Regisseurin und hat denkwürdigerweise vor ihrer Schwangerschaft einen Dokumentarfilm über Pränataldiagnostik gedreht. „Das war im Nachhinein merkwürdig. So, als würde man sich unbewusst schon darauf vorbereiten.“ Nach dem Verlust habe ihr die Arbeit geholfen, irgendwie wieder ins Leben zu finden.
„Wir haben uns Hilfe gesucht. Ich war in einer Rückbildungsgruppe für verwaiste Mütter und habe eine Therapie gemacht. Mein Mann hat anders gelitten. Schlimm war es für ihn, wenn er gefragt wurde, wie es mir geht. Es geht immer um die Frau, selten um den Mann. Der ist ja auch beteiligt. Wir wurden Eltern, um Abschied zu nehmen.“
Heute hat sie zwei Kinder, die ihr über den Verlust hinweghelfen, ihn aber nicht verdrängen. Und die gestorbene Schwester ist Teil der Familie, es gibt gerahmte Fotos. Sie lebt in den Herzen weiter.
Am morgigen Donnerstag ab 19 Uhr liest die Autorin in der Alten Jeetzel-Buchhandlung aus ihrem Buch vor (Karten in der Buchhandlung).