Reiner Jansen erzählt aus seiner Zeit in „Santa Fu“
bm Lüchow. „Santa Fu und raus bist Du!“ – eine alte Schlagzeile aus den 1970er- und 80er-Jahren, als des Öfteren einigen Häftlingen die Flucht aus der Hamburger Justizvollzugsanstalt gelang. Das ist nun schon einige Jahre her und doch sind es die ersten Worte, mit denen Reiner Jansen seinen einstigen Arbeitsplatz beschreibt. Oder er sagt einfach mit einem Lächeln: „Ich war lange im Gefängnis.“ Der schmissige Reim kommt dem Trebeler allerdings nicht wegen der wiederholten Ausbrüche, sondern vielmehr aufgrund der damit verbundenen Anekdoten in den Sinn, wie der ehemalige Justizvollzugsbeamte rückblickend erzählt. „Eine große Fluchtgefahr bestand immer während der sogenannten Ausführungen. Wenn beispielsweise ein Häftling ins Krankenhaus musste. Die Gefangenen sind uns ja immer einen Schritt voraus. Einige haben sich manchmal so schnell und geschickt aus den Handschellen befreit, so schnell konnte niemand reagieren“, erzählt Jansen, der von 1989 bis 2014 als Beamter in der Strafanstalt Fuhlsbüttel gearbeitet hat. „Der Name ‚Santa Fu‘ entstammt der amtlichen Abkürzung der Bezeichnung Strafanstalt Fuhlsbüttel“, erklärt der Ruheständler. Die Ausbildung zum Justizvollzugsbeamten habe er seinerzeit als Einstieg genommen, um in den höheren Dienst zu kommen.
„Damals gab es insgesamt 12 Haftstanstalten in Hamburg. In den meisten bin ich im Rahmen meiner Ausbildung überall gewesen. Nach der Ausbildung war ich noch sechs Monate im Vollzugsdienst, habe dann aber die Möglichkeit gehabt, in das Haus 1 in ‚Santa Fu‘ zu wechseln, um als Sachbearbeiter des Vollzugsdienstleiters tätig zu sein. Da fühlte ich mich sicherer und trotzdem war man immer am Puls der Zeit.“ Kontakt zu den Gefangenen habe er dennoch gehabt. „Mein Büro befand sich direkt im Zellenhaus. Oft musste ich auch Nachrichten überbringen. Wenn es dabei um eine Haftverlängerung ging, war das natürlich nicht schön und auch nicht immer einfach. Man benötigt ein gewisses Feeling im Umgang mit den Häftlingen und alleine sind wir nie unterwegs gewesen.“
Aber es habe auch lustige Geschichten gegeben. „Wir hatten einmal zwei Gefangene, die fliehen wollten. Jeder einzelne Hof wurde per Video überwacht. Eines Nachts sahen die Beamten zwei Gestalten über den Hof laufen, die mithilfe einer Leiter fliehen wollten. Wie und wann sie die gebaut hatten, wusste man nicht. Leider war die Leiter zu kurz und die beiden Häftlinge haben angefangen sich zu streiten. Der Fluchtversuch ist natürlich gescheitert. Das ist eine der harmlosen und amüsanten Anekdoten.“ Kurios sei es auch gewesen, wenn gesuchte Kriminelle andere Gefangene besucht haben. „Die dachten immer, denen passiert nichts, aber durch die Angabe ihrer Personalien sind wir ihnen dann auf die Schliche gekommen. Ich habe sie in den Warteraum gesetzt und die Kollegen gerufen. Bei den anderen Besuchern sorgte das immer für Verwirrung.“ Sogar Matthias Rust, der durch seine Landung am 28. Mai 1987 mit einem Privatflugzeug auf der Großen Moskwa-Brücke unweit des Roten Platzes in Moskau bekannt wurde, sei kurzzeitig Gast im Untersuchungsgefängnis. „Der wollte seine Haare von unserem Gefängnisfriseur nur auf dem Gang geschnitten haben, damit ihn jeder sieht. Das hat aber nicht funktioniert.“ Viele Geschichten hat Jansen aufgeschrieben, weil sie so besonders seien. Heute sei alles schwieriger. „Damals hatten wir 600 Häftlinge und 184 Bedienstete. Heute sind es 400 Gefangene und nur 70 Bedienstete“, erzählt Jansen. Die Gewalt sei größer, auch unter den Gefangenen. „Es ist ein brisanter Job.“ Heute werde auch viel mehr mit Psychologen und Lehrern gearbeitet.
‚Santa Fu‘ diente allerdings auch schon öfter als Drehort für Filme und so machte Jansen auch die Bekanntschaft von bekannten Schauspielerinnen und Schauspielern – unter anderem Armin Rohde, Evelyn Hamann oder Barbara Auer. Heute unterstützt der einstige Beamte Undine Stiwich im Lüchower Stadtarchiv, übersetzt alte Schriften und wohnt wieder in seiner Heimat. Eine Arbeit, die ihm viel Spaß macht – und heute könne er durch ein Fenster ohne Gitter schauen.