Weltweit und doch heimisch
Das Gehöft am Ortsausgang von Nienbergen lässt auf Anhieb nicht vermuten, dass sich dahinter ein weltweites Unternehmen, welches erfolgreich in der dritten Generation geführt wird, verbirgt. Nur der Hinweis auf dem Holzbriefkasten mit der Beschriftung „Decor Spielzeug“ und einer handgefertigten Klingel, die man an einem Holzstab herausziehen muss, weisen auf etwas Besonderes hin. Geschäftsführer Andreas Heyl kommt in einem lässigen Arbeitslook aus dem Haus. Kein Lärm, wenige Menschen und doch ist viel zu tun. Im Haus und den angrenzenden Gebäuden wird gewerkelt, geschraubt und verpackt. Hergestellt wird ausschließlich Holzspielzeug – ökologisch und pädagogisch wertvoll. So hat es vor 63 Jahren begonnen und das ist bis heute so geblieben. „Außerdem ist diese Art von grünem Spielzeug heutzutage wieder voll im Trend“, informiert der Inhaber über das traditionell geführte Unternehmen.
Viel hat sich daher nicht verändert, wenn man die Gründungsgeschichte liest. Denn Firmengründer und Großvater Eberhart Schmidt begann mit der Anfertigung des Holzspielzeuges 1957 auf einem ehemaligen Bauernhof in Kassel. Beschäftigt waren drei Mitarbeiter, zwei davon waren Menschen mit Behinderung. „Es war die erste Behindertenwerkstatt in der Region.“
Die Arbeit mit behinderten Menschen und deren Integration ist bis heute ein Teil der Philosophie des erfolgreichen Unternehmens. „In den 1950er-Jahren gab es für diese Menschen kaum eine Beschäftigung. Mein Großvater wollte diesen Menschen ein Arbeitsfeld schaffen. Auch heute noch bestehen diverse Koopera-tionen mit Einrichtungen.“ Die Nachfrage nahm stetig zu und über 50 Jahre stellte Decor auf der Nürnberger Spielwarenmesse aus. Im Jahr 2000 übernahm Schwiegersohn Wolfram Heyl den Betrieb. „Mein Vater hatte sowohl einen Bezug zur Arbeit mit Behinderten als auch zu dem Spielzeug.“
2010 siedelte Decor nach Thüringen um und intensivierte die in den Jahren zuvor begonnene Zusammenarbeit mit den Wickersdorfer Werkstätten. Seit dem Umzug nach Nienbergen 2016 erfolgt ein Großteil der Fertigung in Eigenregie. „Ich musste mir Alternativen für die Arbeiten überlegen, die von den Menschen mit Behinderung durchgeführt wurden, wie Plastikröhrchen auf Schrauben setzen oder einzelne Holzteile sägen und ölen.“ Dafür baute er Maschinen, wie beispielsweise einen Öl- und einen Bohrautomaten oder die große CNC-Fräsmaschine mit der er künftig ganze Puppenhäuser bauen kann.
So individuell wie das Spielzeug ist nun auch die Herstellung, zu welcher eine bedarfs- und kindgerechte Verarbeitung zählt, die viele Kinderherzen höher schlagen lässt. Besonders ist auch die Nachhaltigkeit, die sich durch das ganze Unternehmen zieht und die bei der Verwendung von ausschließlich heimischem Holz beginnt und bei der Weiterverwendung der Holzspäne zu Brennholz. Die beliebten Xylophone in den Regenbogenfarben gibt es seit jeher. Windspiele, Ritterburgen und Bauernhöfe gehören ebenso in das Sortiment wie immer wieder neue Ideen und das wiederaufgenommene Steckpuzzle mit historischen Motiven. Denn die Identifikation steckt Andreas Heyl in den Genen. Das Steckpuzzle gehört auch dazu. „Es sind etablierte Produkte, die beibehalten wurden. Meine über 90-jährige Großmutter hat sich sofort daran erinnert. Sie hat diese Puzzles damals von Hand bemalt.“
Mit im Boot sind heute Lebensgefährtin Joana Pertl, Sabine Lühring und zwei weitere Mitarbeiter aus der Region. Lühring kommt aus dem Dorf. Mit der Milchviehwirtschaft haben sie und ihr Mann aufgehört. Jetzt schraubt sie mit der Schraubmaschine Klangplättchen auf die Hölzchen der Xylophone. Der Marketingbereich sei durch die viele Aufbauarbeit in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen, und dank eines stabilen Kundenstamms sei das Auftragsbuch stets gut gefüllt, wie der agile Jungunternehmer erzählt. „Wir arbeiten europaweit und haben zudem Aufträge aus Japan, Kanada und den USA.“ Aber trotzdem: Im Wendland möchte er bleiben.