Peter Vierle besitzt gigantische Sammlung an historischen Drahteseln
bv Metzingen. Es ist der Eintritt in eine andere Welt: Überall Sättel, Felgen, Lampen, Rahmen, Gepäckträger, dazu ganze Fahrräder aller Marken und jedes Alters. Was Peter Vierle in den Hallen und auf dem Dachboden seiner Scheune in Metzingen versammelt hat, ist nicht weniger als ein Schatz. Vierle, gerade 80 Jahre alt geworden, hat ihn in rund 50 Jahren zusammengetragen und besitzt inzwischen eine der größten historischen Fahrradsammlungen Norddeutschlands.
„Das war damals in Hamburg“, erinnert sich Peter Vierle auf die Frage, wie das mit seiner Sammelleidenschaft für alte Fahrräder begann. „Ich hatte ab den 1980er-Jahren in Hamburg eine eigene Werkstatt“, berichtet er, während er in seiner Scheune in Metzingen ein curryfarbenes Zweirad hervorholt und sich draufsetzt. „Das ist etwas tricky, denn die Bremse ist so filigran, dass ich sie ungern benutze“, erläutert der Kfz-Experte. Das Alter sieht man weder ihm noch seinem Bantamrad an: Es ist sein ältestes Stück, 119 Jahre alt und selbstverständlich fahrbereit.
„Eines Tages habe ich auf dem Sperrmüll in Hamburg ein altes Rad mit Holzfelgen gefunden. Etwas weiter lag der Lenker, ein Stück weiter der Rahmen. So fing das damals an.“ Allerdings: Die Holzschutzbleche fehlten. „Die habe ich mir in Kiel auf dem Flohmarkt gekauft. Die kosteten damals schon 300 Mark“, berichtet der Sammler. Das Geld war es ihm wert – und sein Bantamrad von 1895 wieder komplett. „So was findet man heute gar nicht mehr“, berichtet Vierle. Liebhaber zahlten dafür vierstellige Beträge. „Man kennt sich in der Szene“, verrät Vierle. Weit über 200 Oldtimer hat er, verteilt auf Dachböden und Scheunen. Das Besondere bei seinen Zweirad-Oldies: Nahezu alle sind fahrtüchtig und in Top-Zustand.
Vierle ist bereit, sich von seiner Sammlung zu trennen
Vorne am Bantamrad hat er eine chromglänzende alte Karbidlampe nachgerüstet – „natürlich funktioniert die“. Solche Lampen findet man bei Ebay ab 40 Euro. Für ein makelloses Exemplar würden bis zu 500 Euro verlangt, erläutert Vierle. Das sei auch mit den anderen Teilen so: je besser erhalten, desto teurer. Eine funktionsfähige alte Nabenschaltung kann dreistellig kosten. Um seine Räder in einen benutzbaren Zustand zu versetzen, verfügt Vierle über ein gigantisches Lager, randvoll mit alten Lampen, Gepäckträgern, Sätteln, Felgen und gestanzten Kettenblättern – bis hin zu gehäkelten Mantelschonern aus den 1940er-Jahren. Die Schätze hat er in über 50 Jahren zusammengetragen. Inzwischen sei die Nachfrage hoch. Angesichts seines fortgeschrittenen Alters ist Vierle bereit, sich von einigen seiner Schätze zu trennen. „Das letzte Hemd hat keine Taschen, und niemand will eine so große Sammlung erben, das ist echt unpraktisch“, schmunzelt er.
Es ist ein Leben für die Mobilität: „Mit 16 Jahren habe ich in Hamburg angefangen, bei Ford zu lernen. Damals habe ich noch mit Konverter geschweißt, auch mit Carbid. Das war Schweinkram, das mochte keiner sauber machen“, lacht Vierle. Später gründete er eine eigene Werkstatt, die erfolgreich lief. Viele der rund 400 Stammkunden waren Besitzer von Ami-Schlitten: Fahrer von Muscle-Cars wie Ford Mustang oder Corvette waren bei ihm in guten Händen.
Im Jahr 2000 zog Vierle zu seiner Lebensgefährtin Rita Lange nach Dannenberg. „Sie lebte berufsbedingt im alten Schloss, gegenüber vom Waldemarturm. Dort waren nämlich auch die Arrestzellen des Amtsgerichts untergebracht, und Rita war für die Wochenend-Delinquenten zuständig.“
Vierle ist trotz seines Alters kein Kind von Traurigkeit, ist er nie gewesen. Zeitlebens versprühte er die Aura eines Lausbuben – immer einen lustigen Spruch auf den Lippen, auf jeder Party gern gesehener Gast. Mit dem Motorrad hat er bereits dreimal die USA durchquert. Und an seinem 65. Geburtstag passierte etwas völlig Unerwartetes: NDR-Moderator Sven Tietzer suchte mit seinem Kamera-Team nach einem Opfer für seine Sendung „So ein Tag!“, wo unscripted, ohne Drehbuch, ohne Vorlage, ein Mensch einen ganzen Tag lang mit der Kamera begleitet wird – spontan. Und Tietzer lief Peter Vierle bei Famila in die Arme, der groß einkaufte – „für meine Rentnerparty“. Nach einem kurzen Gespräch war klar: Das ist der Richtige. Die Sendung wurde ein voller Erfolg, und Tietzer und Vierle halten bis heute Kontakt.
Vintage-Fahrräder, in kleiner Auflage produziert und mit Liebe zum Detail montiert, seien längst eine Geldanlage. „Das gilt vor allem für klassische Markenräder wie Brennabor, Wanderer, Opel, Adler oder Panther“, berichtet Vierle. Er hat sie alle – sogar ein Itera-Rad, welches komplett aus glasfaserverstärktem Polyamid hergestellt wurde. „So ein Spleen der 1980er-Jahre“, weiß Vierle. Obwohl unpraktisch und wartungsintensiv, seien sie inzwischen begehrte Sammlerstücke.