In Hitzacker: Leibhaftige Vernissage der Ausstellung „Grenzgänge“ im Oktogon
bv Hitzacker. Es ist die erste Vernissage seit Monaten, und Kunstfreundinnen und -freunde strömen am Sonntag aus dem Wendland und darüber hinaus nach Hitzacker ins Oktogon, um der Eröffnung der Ausstellung „Grenzgänge“ beizuwohnen – beinahe ängstlich, um Abstand bemüht, und doch voller Wiedersehensfreude. „Der internationale Tag der Druckkunst ist zwar erst morgen“, lacht Peter Wieczorek, verweist aber darauf, dass ein Montag einfach nicht geeignet sei, eine Eröffnung zu feiern. Im Jahr 2018 wurden die traditionellen Drucktechniken in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Deutschen UNESCO-Kommission aufgenommen. Ein Tag zum Feiern, findet nicht nur Wieczorek. Sieben Künstler aus der Region hatte er eingeladen, die Ausstellung im Oktogon zu gestalten. Grenzgänge sind es auch im übertragenen Sinn, war es doch ein Wagnis, die Ausstellung echt, leibhaftig, im Hier und Jetzt zu planen – und nicht virtuell, als Zoom-Konferenz, mit kleinen, wackeligen Videos.
Blickfang, im Zentrum des Geschehens, ist eine Installation von Antanarjuat: eine mit Silber- und Goldfolie abgedeckte Insel, in deren Mitte eine grönländische Flagge steht. Um diese herum: in vier Himmelsrichtungen ausgerichtete, mit Alufolie ausgekleidete Schalen.
In jeder der rechteckigen Behälter findet sich ein Holzschnitt, überzogen mit einem Eisblock. Eis, das langsam taut. Mit diesem Bild, welches auch auf die Klimaveränderung anspielt, dreht Atanarjuat, der bürgerlich Bernd Pfeifer heißt und vor zwei Jahren nach Hitzacker zog, auch die Bedeutung des Bedrohlichen, die im Schmelzen des Eispanzers liegt, um. Denn für die Grönländer ändern sich ihre Lebensbedingungen, sollte das Inlandeis verschwinden, zum Guten – zumindest vorerst. Eine Famile auf dem Fidschi-Archipel wird dies logischerweise ganz anders sehen. Hier jedoch gilt die Perspektive der Grönländer. Atanarjuat, was „der schnelle Läufer“ auf Kalaallisut – grönländisch – bedeutet, berichtet, dass das Leben in Grönland gleichsam wieder erwacht – so wüchsen wieder Bäume auf der Insel, was es den Einheimischen ermöglichte, das heilige Feuer, ein zentrales Element der Kalaallit-Tradition, bald wieder zu entzünden. Immerhin lastet auf der riesigen Insel der mächtigste Eispanzer der Welt.