Wustrower Wildpferde haben endlich einen Hengst zur Weiterzucht bekommen
kek Wustrow/Elbe. Irgendwo hinter dem brandenburgischen Wustrow mündet eine Straße in einen Weg, der kaum mit dem Auto zu bewältigen ist, mit Fahrrad gar nicht. Dort geht es nur mit einem guten Landrover durch. Der Pfad endet vor einer Wiese, und da stehen sie: insgesamt 18 Wildpferde, die von Radlern auf dem Deich immer wieder fasziniert beobachtet werden, denn die Tiere sind schlichtweg eine Sehenswürdigkeit. Vor einigen Tagen ist eine Attraktion dazugekommen: ein junger fünfjähriger Hengst namens „Spirit“ aus dem Naturschutzpark Lüneburger Heide, der den inzwischen etwas angejahrten „Damen“ zu lang ersehntem Nachwuchs verhelfen soll.
„Er hat schon seines Amtes gewaltet“, ist von Michel Mackel, der die Herde betreut, augenzwinkernd zu erfahren. Und auch im Moment, da die Tiere ihre Nachmittagsration an Heu verspeisen, gibt es einen weiteren Anbahnungsversuch, der unverkennbar von einer hellfarbenen Stute selbst ausgeht. Ob der Flirt Folgen hat, wird sich zeigen. „Und zwar im nächsten März, denn die Trächtigkeit dauert bei Pferden elf Monate“, erzählt der Wustrower, der vor wenigen Minuten selbst eine kleine Sensation erlebt hat: Der „Neue“ hat sich erstmals von ihm streicheln lassen.
„Projekt halboffene Weidelandschaft“
Etwas abseits von der Herde stehen zwei Tiere – eine Mutterstute und ihr Fohlen. Beide kamen aus dem Lüneburgischen mit, denn ohne die beiden wollte der Hengst partout nicht in das Fahrzeug in Richtung Wustrow einsteigen. „Und nun ist ja endlich die Familie richtig komplett“, freut sich der Landwirt, der zweimal täglich bei den Tieren nach dem Rechten schaut und für Futter und Wasser sorgt.
Das Ganze nennt sich „Projekt halboffene Weidelandschaft“. Dieses wurde in den 1990er-Jahren mit Wildpferden durch Horst Möhring, dem damaligen Leiter der Lenzener GWL, weitsichtig für die Region initiiert. Die jetzigen Stuten sind bereits die Nachkommen jener ersten Pferdegeneration. Die Flächen, bestehend aus einer zwischen Löcknitz und Elbdeich liegenden Winterfläche und dem Areal des Überschwemmungsgebietes, welches im Sommer als Weide genutzt wird, gehören dem Trägerverbund Burg Lenzen. Das Vorhaben selbst dient mehreren Zwecken: dem Erhalt dieser vom Aussterben bedrohten Rasse, welches genetisch dem Wildpferd am nächsten kommt, dann der Landschaftspflege, und natürlich gibt es durch diese spezielle Art der Tierhaltung auch reichlich Material zu Forschungszwecken für Studenten. Nicht zu vergessen ist dazu der Tourismus. Denn: Es gibt wohl kaum jemanden, der sich dem Zauber dieser seltenen und zudem ruhigen, robusten und gesunden Tiere entziehen kann.
Besonders begeistert von dieser besonderen Form der Familienzusammenführung ist Bettina Kühnast, Leiterin des Besucherzentrums auf Burg Lenzen: „Vor zwei Jahren haben wir es besprochen, dass ein Hengst angeschafft werden soll. Es ist total schön, dass es mit diesem Projekt weitergehen kann. Und die nächste Attraktion werden dann die Fohlen im kommenden Jahr sein!“
Bitte nicht füttern
Ganz wichtig für Besucher ist aber, dass die Tiere nicht gefüttert werden dürfen, was schließlich für Futterneid und Nervosität sorgen würde. Zu diesem Zweck sollen auf dem Deich noch Hinweistafeln aufgestellt werden. Aber nicht nur das. Mackel: „Wenn man selbst Stress hat, braucht man nur eine Weile den Pferden zuzuschauen, das wirkt richtig beruhigend. Zudem gibt es bereits erste Nachfragen nach den ausgesprochen friedfertigen Tieren, mit denen entsprechende Mediziner dort mit behinderten Menschen therapeutisch arbeiten möchten.“