Letzte Fahrt der Herzogin

Museales Sofafloß: Saisonabschluss auf der Elbe

bv Hitzacker. „Schöne Badetemperatur“, scherzt Dr. Erich Bäuerle auf dem Sofafloß in Hitzacker. Die Elbe hat genau 8,5 Grad Celsius, wie das Thermometer der „Herzogin Dorothea“ anzeigt. Geburtstagskind Eric Baethke aus Wehningen ist mit seinen Freunden an Bord des urigen Gefährts gekommen. Es ist die letzte Fahrt der Saison 2021. Die Fahrt war die Idee von Opa Heino Baethke. Mit an Bord sind auch sein Sohn Matthias, dessen Frau Annett und natürlich Oma Gisela. Kennengelernt hat Heino („Ich heiße wirklich wie der Sänger.“) das Floß, eine offizielle Außenstelle des Museums Altes Zollhaus, erst vor vier Wochen. „Wir hatten damals ein Klassentreffen. Ich bin mit Jochen Warncke im Osten zur Schule gegangen. Er hat dieses Floß gebaut und hat mit uns eine Tour auf der Elbe unternommen. So kam ich auf die Idee.“ Offensichtlich ein Treffer: Gebannt lauschen die Elfjährigen Dr. Erich Bäuerle. Der Strömungsphysiker hat einige Experimente vorbereitet. So will er unter anderem zeigen, dass Menschen in den Strudeln, die sich am Ende der Buhnenfelder bilden, nicht automatisch nach unten gezogen werden, wie oft behauptet wird. Dafür darf Eric eine mit Luft gefüllte Flasche über Bord werfen, an der eine kleine Boje befestigt ist. Skipperin Imme Brosse steuert das Sofafloß aus der Fahrrinne in Ufernähe, Bernd Rübsam-Wassong, selber aktiver Floßfahrer, lässt den Anker fallen. Die Jungs beobachten den Verlauf der Flasche, die der Strömung im Buhnenfeld ausgesetzt wird. „Nicht, dass ihr mich falsch versteht, es ist gefährlich, hier zu baden, keine Frage.“ Bäuerle kommt auf die Dioxin-Belastung an der Elbe zu sprechen, die immer noch hoch sei. Weder sei es ratsam, Büsche herauszureißen, noch, tief zu graben. Der Schlamm birgt das Gift, welches extrem langlebig ist. Auch in den Altarmen hat sich das Gift aus DDR-Chemieproduktion abgelagert.

Plötzlich landet ein Fischadler auf einer Weide am Ostufer. Kormorane steigen auf. Die Kinder lernen, dass die Elbe bei Hitzacker zwischen 200 und 230 Meter breit ist, dass sie mehr Wasser als in den Vorjahren führt, aber immer noch weniger als im langjährigen Mittel. Und dass alle zehn Tage ein Echolotboot vorbeikommt, welches die Elbe vermisst.

Oma Gisela packt selbst gebackenen Kuchen und Limonade aus. Wegen Corona gibt es kein Catering mehr, aber selber mitbringen ist ausdrücklich erlaubt.

Nach zwei Stunden legt Imme Brosse wieder am Sperrwerk in Hitzacker an. Am Ende sind alle begeistert von der interessanten Fahrt.

Frage an Museumsleiter Klaus Lehmann, der dereinst die Idee mit dem Sofafloß hatte, was die klammen Museumskassen zuverlässig füllt: Wie viele Fahrer gibt es inzwischen? „Wir sind ungefähr 16. Einige fahren oft, andere nur sporadisch. Mehr als zweimal am Tag fährt keiner. Es sollte Spaß machen. Nur mit Freude und Herzblut kannst du die Leute begeistern.“ Lehmann liebt das Storytelling. Er will Geschichte lebendig werden lassen. Seine Lieblingsthemen: das holländische Königshaus und die DDR-Grenze. Lehmann hat sogar eine jährliche Fortbildung für die Floßfahrer initiiert. „Wir haben einen Grundsatz: Wir wollen, dass die Leute etwas mitnehmen.“ Corona habe dem Projekt einen gründlichen Strich durch die Rechnung gemacht. 2019 etwa habe ein Drittel mehr Fahrten stattgefunden als in 2020. In 2021 war die Zahl erneut geringer. „Vielleicht ist eine gewisse Marktsättigung erreicht, viele kennen das Floß. Aber wir bieten ja auch keine reinen Freizeitfahrten, sondern verfolgen einen pädagogischen Ansatz: Wir behandeln Sachthemen wie Klimawandel, die Geschichte der Grenze, Naturschutz und die Dynamik des Flusses.“

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