ARAG-Rechtsexperte gibt im Interview Tipps
lk Lüchow. Mehr als die Hälfte der Deutschen stand 2019 kurz vor einem Jobwechsel. In der Altersgruppe der 18 bis 36-Jährigen sind sogar 74 Prozent offen für einen neuen Job. Aber ist es eine gute Idee, während der Corona-Pandemie auf Jobsuche und in eine Probezeit zu gehen? Es gibt zwar keine gesetzlich festgelegte Probezeit, doch ist es mittlerweile üblich, dass am Anfang eines neuen Arbeitsverhältnisses eine Probezeit steht. Daran hat auch Covid-19 nichts geändert. Über Rechte und Pflichten während der Probezeit informiert der Rechtsanwalt und ARAG-Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer im Interview.
Herr Klingelhöfer, was ist denn eigentlichdie „Probezeit“?
RA Tobias Klingelhöfer: Unter einer Probezeit ist der an den Anfang eines Arbeitsverhältnisses gestellte Zeitraum der Tätigkeit zu verstehen, der dem Zwecke der Erprobung dient. Die Vereinbarung einer Probezeit innerhalb des laufenden Arbeitsverhältnisses ist hingegen unzulässig. Tritt allerdings ein Arbeitnehmer bei seinem bisherigen Arbeitgeber eine neue Stelle an, so kann grundsätzlich für diese Stelle eine Probezeit vereinbart werden. Das gilt aber nur, wenn sich die Tätigkeit so wesentlich von der vorherigen unterscheidet, dass eine solche Erprobung erforderlich ist. Dies ist letztlich immer eine Entscheidung im Einzelfall.
Wie lange dauert die Probezeit?
Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) kann die Probezeit maximal für die Dauer von sechs Monaten vereinbart werden. Eine Verlängerung dieser Dauer ist nicht möglich – selbst bei einer krankheitsbedingten Fehlzeit des Arbeitnehmers. Oft wird aber auch eine Probezeit von drei Monaten vereinbart. Die kann dann verlängert werden, wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Verlängerung einig sind. Statt der Probezeit kann auch ein auf sechs Monate befristeter Arbeitsvertrag geschlossen werden, der dann anschließend verlängert oder entfristet wird.
Kann mir in der Probezeit jederzeit gekündigt werden?
Ja! Auch ohne Angabe von Gründen. Aber es gibt auch hier eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Wochen, wenn nicht etwa tarifvertraglich etwas anderes vereinbart ist. Sie gilt innerhalb der gesamten Probezeit. Auch am letzten Tag der Probezeit kann noch eine Kündigung ausgesprochen werden. Ist dies der Fall, muss der Arbeitnehmer in zwei Wochen seinen Arbeitsplatz räumen.
Gelten Kündigungsschutzgründe bei einer Kündigung während der Probezeit?
Nein! Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ist, dass das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat.
Was gilt bei einer Krankschreibung während der Probezeit?
Es besteht tatsächlich auch die Gefahr, bei Krankheit während der Probezeit gekündigt zu werden. Da das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt, muss sich der Arbeitgeber für die Kündigung nicht rechtfertigen. Hält der Arbeitgeber aber trotz Krankmeldung am Arbeitsverhältnis fest, besteht auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung. In den ersten vier Wochen gibt es aber nur einen Anspruch auf Krankengeld von der Krankenkasse.
Besteht ein besonderer Kündigungsschutz für Schwerbehinderte?
Nein! Genauso wie das Kündigungsschutzgesetz gilt auch der besondere Kündigungsschutz erst nach dem Ablauf von sechs Monaten. In den ersten sechs Monaten ist eine Kündigung auch ohne Zustimmung des Integrationsamts möglich. Der Sonderkündigungsschutz für Schwangere gilt dagegen bereits ab dem Zeitpunkt, zu dem diese ihre Schwangerschaft offenbaren, unabhängig von der Probezeit.
Kann man in der Probezeit Urlaub nehmen?
Grundsätzlich ja! Dass während der Probezeit kein Anspruch auf Urlaub besteht, ist ein weit verbreitetes Vorurteil. Richtig ist, dass der volle Urlaubsanspruch erst nach einem halben Jahr entsteht. Davor entsteht er nur anteilig pro Monat. Nach zwei Monaten kann der Arbeitnehmer also vier Tage Urlaub nehmen, nach drei Monaten sechs. Nach sechs Monaten beträgt der Anspruch dann nicht nur zwölf, sondern die gesamten 24 Tage. Möchte ein neuer Arbeitnehmer am Anfang Urlaub nehmen, so muss er dies absprechen.
Wie sehen die Probezeiten für Leiharbeiter aus?
Der konkrete Einsatz von Leiharbeitern erfolgt nicht aufgrund eines Arbeitsvertrages, sondern auf Basis eines Überlassungsvertrages, der zwischen dem Verleiher und dem Entleiher getroffen wird. Diese Vereinbarungen sehen zwar keine Probezeit vor, können aber spezielle Regelungen vorsehen. Eine Probezeit kann im Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Arbeitnehmer geregelt sein.