Ein Leben im Zoo
bv Prabstorf. Das noch namenlose Gössel aus Prabstorf hat es gut: Der junge Leineganter aus der Zucht von Lisbeth Lange-Wulff und Hans-Christian Lange wird künftig im Frankfurter Zoo leben, an einem einen Hektar großen See, der „Afrika-Savanne“, mit einer preisgekrönten Partnerin. Mit ihr soll er dafür sorgen, dass seine Rasse nicht ausstirbt. Leinegänse sind so selten, dass sich der Zoo Frankfurt am Main im Rahmen seines Zuchtprogramms entschieden hat, ein Paar aufzunehmen, um damit Nachkommen zu züchten. „Dafür haben wir prämierte Tiere aus dem Leinegans-Herdbuch gesucht“, berichtet Zoo-Mitarbeiter Sebastian Schröder, als er in Prabstorf den Bräutigam mit der Ringnummer 0001 für das künftige Traumpaar einsammelt. Der Tierpfleger war dafür viele Kilometer gefahren. Kein Wunder, gehören die Tiere laut der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen in die Kategorie I: „extrem gefährdet“, und die wenigen Hundert lebenden Exemplare sind genetisch eng miteinander verwandt.
Ein Zuchtexperte vom Verein „Herdbuch Leinegans“ hatte deshalb aus allen in Deutschland bekannten Tieren den Ganter aus Lüchow-Dannenberg ausgewählt und eine Gans aus dem nordrhein-westfälischen Minden, um Inzucht zu vermeiden. Gemeinsam sollen sie nun in Frankfurt für Nachwuchs sorgen. Ein hoher Aufwand, den der Zoo betreibt. Am vergangenen Wochenende wurde der Ganter auf Langes Hof in Prabstorf eingefangen. Tierpfleger Schröder war bereits am Vortag angereist, um den Ganter früh am Morgen abzuholen und ihn zu seinem tierischen Blind Date mitzunehmen. Dreieinhalb Stunden später sammelte er in Minden die zweite Leinegans ein. Schröder, stellvertretender Abteilungsleiter im Zoo, habe schon „Tiger und Hyänen im Auto transportiert – aber Leinegänse zum ersten Mal“.
Das Einfangen: kein Problem. Der Auserwählte war an einem schwarzen Punkt im Gefieder gut zu erkennen. Er war auf der jüngsten Jungtier-Präsentation des Vereins „Herdbuch Leinegans“ in Hildesheim ausgezeichnet worden. Als aber seine Geschwister aus dem Stall gelassen wurden, war das Geschnatter groß, muss doch die Gänsefamilie nun mit einem Vertreter weniger den Hof bewachen. „Dafür kommt der Zoo-Ganter zu Weihnachten aber nicht auf den Tisch wie die anderen“, erläutert Lange. Die anderen enden als Gänsebraten. „Arterhaltung durch Aufessen“, kommentiert Lange lakonisch. Denn Leinegänse sind nicht nur robust und anpassungsfähig, sie schmecken auch gut.
Wie wichtig die Arterhaltung ist, erläutert Zoomitarbeiter Schröder: „Wenige Hochleistungssorten und -rassen produzieren heute die Nahrungsmittel der Menschheit. Gleichzeitig stirbt alle zwei Wochen eine Nutztierrasse aus – das heißt eine an Klima und Standort angepasste Rasse, ein genetisches Erbe. Wir versuchen, das zu verhindern.“ Das Ziel: alte Nutztierrassen als wertvolles Zucht- und Kulturgut für die Nachwelt zu erhalten.