Stimmung pur zum 75.

Lenzener Karneval begeisterte Ü-60-Publikum

kek Lenzen/Elbe. Zwei Jahre unfreiwillige Pause: Kein Wunder, dass es die Lenzener Karnevalisten in ihrer aktuellen Saison, die auch noch die 75. ist, in die weite Welt verschlägt. So geschehen beim sonnabendlichen Rentnerkarneval, der im Prinzip nur ein bisschen früher als „normal“ begann (s. Seite 10): mit einer Bühne, in der sich, aufgetaucht aus den Weltmeeren und flankiert von gletscherbewohnenden Eisbären und den ägyptischen Pyramiden, sich die Kunstdenkmäler dieser Welt finden – wie das Taj Mahal, die Freiheitsstatue, der schiefe Turm von Pisa, Big Ben, der Eiffelturm und das Kolosseum. Und mittendrin, als wohl größte Sehenswürdigkeit schlechthin: das Lenzener Rathaus.

So nahm es dann auch nicht wunder, dass der Elferrat nach seinen spöttisch-lustigen Sprüchen höchstselbst den Cancan zelebrierte. Das war aber nur die Ouvertüre, denn die Bütt’ war mit einer Weltkarte versehen, und diejenigen, die hier hineinstiegen, plauderten von ihren einzigartigen Erlebnissen während ihrer illustren Reisen rund um den Globus. Wie eine luxusverwöhnte Dame (Ruth Schneeberg), deren fast mannsgroßer Schminkkoffer von dem Flughafenangestellten (Ingolf Drescher) kaum bewältigt werden konnte, der dann letztlich für sich auch resümierte: „Für mich reicht es bis Holly-Wootz!“

Bei der Parodie sollte es zunächst „in die Sweden“ gehen, doch da „das Budget für Abba nicht ausgereicht“ hatte, trat immerhin ein fast originaler „Vader Abraham“ mit seinen Schlümpfen auf. Die blauen belgischen Kultknirpse steckten dabei ihre aberwitzigen Köpfe aus Mülltonnen heraus – und brachten damit den Saal fast zum Einsturz.

Ganz exotisch kam ein Guru daher: Matthias Temmler gab nicht nur Heilsversprechungen, sondern plauderte auch aus dem medizinischen Nähkästchen, wie über Gesundheits-Apps, die per im Mund hineingeschobenen Handy die Zahngesundheit erkunden sollten.

Und eine Dame gab es, die das traute Lenzen nicht verließ: die Brezeltante (Daniela Wagner). Respektlos als „alte Schabracke“ angekündigt, gab das scharfzüngige barockgewandete Lenzener Urgestein gehörig Kontra. „Sehe ich etwa wie eine Pferdedecke aus?“, fragte die verführerisch-kess erscheinende Frau, um selbst darauf die Antwort zu geben: „Was so etwas ist, lernt ihr in Boris’ Besenkammer!“

Kaum blieb dabei ein Auge trocken, wie auch im temperamentvollen Streitgespräch eines „altgedienten Ehepaares“, bei dem eine mit den Jahren aus dem Leim gegangene Daniela Wagner sich mit einem Gentleman von Welt (Ralf Behrens) kratzbürstig nach allen Regeln der Kunst stritt: „Wollen wir uns wieder vertragen?“, hieß es zuletzt, als Bratpfanne und Gitarre zu Bruch gegangen waren. Heiße Rhythmen gab es trotz überdies reichlich – und die fünf Gruppen, darunter die erstmals auftretenden Mini-Fünkchen, wurden jeweils lauthals vom Publikum um eine Zugabe gebeten.

Das betraf auch die zweifellos eleganteste „Tänzerin“ des frühen Abends: Gekleidet in ein nachtschwarzes Etwas und versehen mit roten Strapsen und ebensolchen ärmellangen Handschühchen, brachte Daniel Schulz aus Seedorf das Publikum in ungeahnte Stimmungshöhen.

„Stimmung pur!“ jubelte Thorsten Wagner dazu, und er hatte recht. Es wurde wieder richtig Karneval gefeiert. Und zwar „bis der Notarzt kommt“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert