Mutter und Tochter, beide Lehrerinnen, kooperieren länderübergreifend
bv Kapern. Wie kommen Schüler aus Bremen dazu, Eulengewölle aus dem Wendland zu sezieren? Und das mit Begeisterung? Dazu braucht es mehrere Zutaten, zuerst einmal zwei engagierte Lehrerinnen. Eine, Dorothee Helm aus Kapern, ist schon im Ruhestand, ist aber in jeder freien Minute im Naturschutz engagiert. Ihr und ihren Mitstreitern vom NABU ist es zu verdanken, dass sechs Eulenkästen in der Umgebung von Kapern aufgehängt wurden. „Man muss Jahre warten, bis eine Eule dorthin findet“, berichtet Helm. Außer im Dorfgemeinschaftshaus Kapern: „Dort ging es sehr schnell, bei einem Landwirt ebenfalls.“ Und vor den Kästen fanden sich Gewölle – trockene Ballen mit den Überresten der Mahlzeiten. Eulen verschlingen ihre Beute ganz. Da sie schwache Verdauungssäfte haben, bleiben Haare, Federn, Knochen unverdaut übrig, werden hochgewürgt und ausgespieen. Das passte ausgezeichnet ins Konzept von Susanne Helm, der Tochter von Dorothee Helm, die eine Forscherklasse in Bremen unterrichtet. Denn die Schüler waren ganz begeistert davon, die Gewölle in detektivischer Arbeit zu zerlegen, um mehr über die Eulen zu erfahren. Susanne Helm: „Die Klasse 5c unserer Wilhelm-Focke-Oberschule ist eine Forscherklasse, die es bei uns in jedem Jahrgang gibt, ursprünglich aus einer Zusammenarbeit mit der Universität Bremen entstanden. Das Forschen ist nicht nur auf den naturwissenschaftlichen Bereich begrenzt, doch bei einer Umfrage, was die Kinder gerne erforschen wollen, waren die allermeisten Fragen naturwissenschaftlicher Art.“
Die Mutter berichtete ihrer Tochter von den erfolgreichen Schleiereulenkästen – und den Gewöllen, die sie davor fand –, die Interesse zeigte: „Das Sezieren von Gewöllen ist mir natürlich vertraut. Im ersten Halbjahr der 5. Klasse haben Kinder immer das Thema Skelett und Gelenke des Menschen.“
Und so fragte ich die Kinder, ob sie gerne erforschen wollen, was die Schleiereulen gefressen haben. Es gab eine riesige Begeisterung! Alle waren hoch konzentriert und motiviert bei der Sache und kaum von den Sezierarbeiten zu lösen. Es gab kein „Iiiih“ und keine Scheu davor, sie auseinanderzunehmen. Man muss dazu sagen, dass es eine wirklich leistungsstarke, neugierige und begeisterungsfähige Klasse ist. So etwas habe ich in den vergangenen 20 Jahren nur selten erlebt. Wir arbeiteten in Halbgruppen, wegen Corona. Kinder, die zu Hause im Distanzunterricht waren, bekamen die Sezierstunde einige Wochen später. Jedes Gewölle war eine wahre Fundgrube an winzig kleinen Rippenbögen, Schulterblättern, Schädeln und noch vielem mehr. Die Kinder hatten Stereolupen, um sich ihre Funde vergrößert anzuschauen. In Bremen haben bereits alle Kinder ein iPad – und damit ging es fast noch besser: Schnell den Fund fotografiert, dann das Bild vergrößert – und man konnte sich die Funde, vor allem die niedlichen Zähne, genau anschauen! So wurde auch zu Hause alles mitverfolgt. Die Wilhelm-Focke Oberschule ist eine Gesamtschule mit rund 460 Schülerinnen und Schülern und geht bis zur 10. Klasse. Unsere Oberstufe liegt in der Nachbarschule. Wir liegen im Stadtteil Horn. Ungefähr die Hälfte unserer Schülerinnen und Schüler gehen nach der 10. Klasse bei uns in die Oberstufe.
Die Schüler kommen aus Horn, Borgfeld und Schwachhausen, viele wachsen durchaus naturnah auf, mit den Wümmewiesen nebenan.“ Susanne Helm ist didaktische Leiterin der Wilhelm-Focke-Oberschule und stellvertretende Schulleiterin. Ihre Fächer sind Biologie und Deutsch. „Ich unterrichte eigentlich in der Klasse Deutsch und habe in Corona-Zeiten seit Dezember Naturwissenschaften und die Forscherstunden in der Klasse. In diesen Forscherklassen sollen nach Möglichkeit immer gleich viele Mädchen und Jungen sein. Durch Corona entfielen bisher die Aktivitäten in der Universität und fast jede Form von Exkursionen. So waren wir froh, wenn uns etwas aus dem Wendland zugeschickt wurde. Die Kinder waren stets sehr gespannt auf die Päckchen mit den Gewöllen. Toll, dass sich im Wendland Unterstützer fanden, die diesen Forschergeist unterstützten.“
Am liebsten würde die Lehrerin mit der Klasse eine Klassenfahrt ins Wendland machen und dort auf die Spuren des Seeadlers gehen, versuchen die Schleiereulen zu beobachten, keschern und mehr, doch Klassenfahrten sind momentan nicht möglich. „Wir wollen nun noch die Schädel untersuchen und versuchen, sie den Mäusen zuzuordnen. In allen Gewöllen fand sich nur ein Vogelfund, alles andere waren Mäuse“, so die Bilanz.