Zum Welttag der Trisomie 21: Interview mit Sammy Dubs über ihre Arbeit und Ziele
bv Lüchow. „Ich bin 28 Jahre alt“, erzählt Sammy stolz und setzt sich auf den Barhocker in ihrer kleinen Küche. Auf ihrem T-Shirt ein Spruch: „Bildet Banden“. Dieses Gespräch haben wir schon im vergangenen Jahr geführt, in Sammys eigener Wohnung – im Vorgriff auf den Welttag des Downs-Syndroms, der seit 2006 immer am 21. 3. eines Jahres begangen wird. Einundzwanzig drei ist eine Eselsbrücke: das 21. Chromosom ist bei Menschen mit Down Syndrom dreimal vorhanden. Auch bei Sammy.
Menschen mit 47 Chromosomen sollen an diesem Tag eine Stimme bekommen. Sammy, in Lüchow bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund, hat um das Gespräch gebeten. Sie hat das Bedürfnis, auf verschiedene Punkte hinzuweisen, die ihr missfallen. Etwa, dass sie in der Öffentlichkeit als behindert wahrgenommen wird. „Das bin ich nicht. Ich bin schwer in Ordnung! Das steht auch in meinem Ausweis“. Und, dass sie einen Beruf ausübt – einen anderen als zuvor, mit dem sie bekannt wurde – als sie jahrelang bei Pfoten & Co. mitgearbeitet hat. Aber der Laden für Tierbedarf wurde verkauft. Da sich Sammy beruflich sowieso verändern wollte, hatte sie bereits vorher gekündigt. Samantha, wie sie eigentlich heißt, ist in Clenze aufgewachsen, hat dort die Grundschule besucht. „Danach war ich auf der Förderschule, weil mich die KGS anfangs nicht haben wollte“. Im Anschluss hat es dann doch noch geklappt. Nach dem Umzug nach Lüchow hat sie dort „Friseurtechnik gelernt, auf der BBS.“ Ihr Faible für Frisuren hat sie seitdem: Zur Zeit trägt sie ihre leuchtend roten Haare wieder kurz. Noch Wochen zuvor hatte sie längere Haare – das Beweisfoto haben wir im Kraftwerk gemacht, wo Sammy zur Zeit arbeitet. Ein toller Job, der ihr viel Spaß macht hat, die Kunden mögen sie. Davor hatte sie in verschiedenen Friseursalons mitgearbeitet. Für Schultheaterprojekte durfte sie Schauspieler frisieren und schminken. Jahrelang hatte sie im Sport-Art bei Anke Kasemi getanzt. Einer ihrer Berufswünsche ist deswegen Fitnesstrainer-Assistentin. Über ihre Begeisterung für Sport kam sie schließlich zum Lüchower Kraftwerk, wo sie einen Job im Service fand. Sie arbeitet dort fünf Tage die Woche.
„Ich habe gemerkt, wie ich langsam größer und erwachsener wurde, ich wollte meine eigene Wohnung“, berichtet Sammy. Das hat gut geklappt, ihre Mutter wohnt im selben Haus, aber Sammy hat ihr „eigenes Reich“, wie sie betont. Ein wichtiges Thema ist, wie sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. „Menschen mit Down-Syndrom sind besonders“, sagt sie. „Ich bin anders, meine Haare sind rot. Aber jeder Mensch ist doch anders.“ Die abschätzigen Blicke beim Einkaufen, die sie oft erlebt, verletzen sie. „Früher wurden so Menschen wie ich umgebracht“, weiß Sammy. Zum Glück hat sie gute Freunde und ihre Familie, die voll zu ihr halten. Und sie weiß, dass sich die Zeiten gebessert haben, dass man aber aufpassen muss. Ein Transpi hängt an ihrer Pinnwand: „Rechte Strukturen erkennen“.
Sammy isst wenig Fleisch, aber gerne mal Süßigkeiten. „Das bestimme ich allein“, sagt sie selbstbewusst. „Dazu gehört auch, dass ‚nichts über mich ohne mich‘ gesprochen wird“ – eine zentrale Forderung der Menschen mit Down-Syndrom. Dass das gesetzlich verankert ist, weiß Sammy auch. In Deutschland leben rund 7,3 Millionen sogenannte schwerbehinderte Menschen, rund neun Prozent der Bevölkerung. Bereits 2009 hat sich Deutschland zur gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen bekannt. Sämtliche Bereiche müssen seitdem auf die Teilhabe aller Menschen zugeschnitten sein. Vor allem müssen die Betroffenen gehört werden, wenn es um sie geht. Deshalb lautet der Grundsatz der UN-Konvention: „Nicht ohne uns über uns“. Sammys Vorbild, es ist auch ihr zweiter Vorname, ist Matuya, die Feenkönigin der Sinti und Roma – eine Frau, die im Gebirge in Palästen wohnt, gerne singt und tanzt, genau wie Sammy. Vorbild ist aber auch ihre Mutter Regina und ihre Schwester, die Gebärdendolmetscherin in Hamburg studiert: „Ich fahre allein mit dem Zug, um sie zu besuchen.“
Manchmal, wenn sie sich eine Zigarette anstecke, werde sie von Umstehenden gefragt, ob sie schon 18 sei. „Elend!“, schimpft Sammy, die mit 1,45 Metern nicht sehr groß ist. Sie sei aber ein sehr neugieriger und verträglicher Mensch. Sie liest gern, ihre Zeitung heißt „Ohrenkuss – hier rein, da raus“. Ein Kulturmagazin, das von Menschen mit Down-Syndrom gemacht wird und in seiner Konzeption einzigartig ist. Und am Schluss verrät Sammy, dass sie nichts dagegen hat, wenn sie mal einer anspricht, der sie näher kennenlernen möchte.