Fred – so groß wie ein Korken

Nicole Thunecke betreibt Eichhörnchen-Päppelstation

bv Bergen. Als Fred geboren wurde, war er „ungefähr so groß wie ein Korken“, erinnert sich Nicole Thunecke aus Bergen. Fred, das war das erste Eichhörnchen, welches die Frau aus Bergen aufgepäppelt hat. Während eines Interviews hüpft, läuft, klettert Fred in einer Tour durch den großen Raum und übers Parkett im ehemaligen Pfarrhaus. Er saust zu Sky, der Staffordshire-Hündin, die ihn geduldig beschnuppert und wieder davonflitzen lässt. Fred lässt sich fotografieren, aber man muss sehr schnell sein. „Als ich Fred gefunden habe, da dachte ich, das ist ein totes Rattenbaby. So winzig und ganz nackt.“

Aber Hündin Sky ließ nicht locker, schnupperte und stupste das vermeintliche Rattenjunge an – und tatsächlich bewegte es sich ein ganz klein wenig. „Ganz klar: Die Mutter hat es zurückgelassen, oder es ist aus dem Kobel gefallen“, dachte sich Nicole Thunecke. Und nahm das nackte Etwas vorsichtig hoch – und mit nach Hause.

Wie aber zieht man so einen Korken groß? Wie schafft man es, das Überleben von so einem winzigen, nackten Lebewesen zu sichern? Da brauche es „viel Fingerspitzengefühl. Und einen guten Wecker“, lacht Thunecke, die im Internet Antwort fand. Denn sie musste Fred die ersten Wochen alle zwei Stunden mit Spezialmilch füttern. Die vierfache Mutter kann auf viel Erfahrung aus der eigenen Vergangenheit zurückgreifen. Ihre Kinder sind alle schon erwachsen, stehen in Lohn und Brot, „aber anstrengend ist das schon“.

Das liegt jetzt über ein Jahr zurück. Nachdem Fred groß genug war, um in Freiheit überleben zu können, wurde er ausgewildert. Thunecke, die seit Kurzem frühberentet ist, fuhr dafür nach Hamburg. Eine Wildtier-Auffangstation übernahm den Job. „Erfolgreich“, erinnert sich die 48-Jährige, „aber nicht ohne Tränen meinerseits.“ Fred hatte einen Platz in ihrem Herz erobert.

Und so ist Fred, der von einem Walnussbaum im Pfarrgarten stammt, schuld daran, dass Nicole Thunecke inzwischen ehrenamtlich eine offizielle Päppelstation des Landkreises Lüchow-Dannenberg für Eichhörnchen betreibt.

Vergangenen Sommer hat sie gleich sechs Eichhörnchenjunge großgezogen. „Drei waren nackig – ohne Fell. Die anderen hatten immerhin schon die Augen auf.“ Alle habe sie durchgebracht – „aber man stößt an seine Grenzen“. Sie habe nachts auch schon mal den Wecker überhört. „Wer es nicht schafft, darf die Tiere an die nächste Päppelstation weiterreichen. Mein Tipp: als Anfänger nicht zu viele aufnehmen“, rät Thunecke.

Eichhörnchenbabys bleiben rund zwölf Wochen bei der Ziehmama. Thunecke erhält keinen Zuschuss für ihre Arbeit. Sie schätzt die Kosten für Tierarzt und Nahrung auf rund 100 Euro pro Tier.

Bis zu zwei Mal jährlich sorgen Eichhörnchen, die übrigens nicht als bedroht gelten, für Nachwuchs: einmal Ende Januar, dann im Spätsommer. Die Jungenaufzucht bleibt dem Weibchen überlassen.

Wer selbst ein Jungtier findet, sollte es nicht gleich mitnehmen, erklärt Thunecke. Die Mutter hole es oft wieder. Ein Indikator für Hilfsbedürftigkeit ist das vermeintliche Zutrauen der Jungtiere: „Kommen sie ohne Furcht auf Menschen zu, tun sie das, weil sie Hilfe suchen.“ Und dann: „Geeignete Milch aus dem Zoogeschäft anbieten, mit einer Pipette. Aber nur ganz wenig“, mahnt Thunecke – ein paar Tropfen alle zwei bis drei Stunden. Die Aufzucht ist so mühsam, dass geraten wird, sich an den Eichhörnchen-Notruf zu wenden (Tel.: 0700 – 200 200 12). Dort ist Thunecke mit ihrer Päppelstation registriert. Ihr Einzugsbereich ist ent­sprechend groß. Man darf sie aber auch direkt anrufen: (0175) 56 10 845.

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