Kiebitz-Autorin erlebte Hüft-TEP-OP
kek Lütkenwisch. Über 18 Jahre hatte ich Beschwerden an meiner linken Hüfte, Schmerzen sowieso. Und das Bein wollte nicht so, wie ich es gern hätte. Das Gehen war längst nur noch eine Qual. Aber eine OP? Niemals! Vielleicht ist da ja auch nur etwas ausgerenkt, mutmaßte ich. Zum Arzt wollte ich nicht. Mitte Mai sagt eine Bekannte zu mir: „So geht es nicht mehr weiter, lass dich endlich operieren!“ Nein! Was ist, wenn etwas schiefgeht? „Quatsch!“, sagt die Kyritzerin zu mir. „Du lässt Dich in unserer Klinik operieren. Du wirst wieder ganz normal gehen können!“ Das überzeugte mich. Schließlich ist heute alles, was meine Bekannte prophezeite, eingetroffen.
Drei Monate später, im August, lag ich erwartungsvoll im Zimmer 20 der Orthopädie im Kyritzer Klinikum – einem zertifizierten EndoProthetikZentrum der Maximalversorgung. Hörte sich gut an. Und tags darauf sollte um 9 Uhr die OP sein. Mittlerweile sah es so aus, dass es schlimmer nicht mehr kommen könne: Schmerzen im Rücken und in allen Gelenken der „guten“ Seite und ein eingeklemmter Nerv. „Das wird danach alles vorbei sein“, hatte mein Lenzener Hausarzt im Vorfeld versprochen. Ja, der hat gut reden – ob das wohl stimmt?, dachte ich. Andererseits wollte ich unbedingt weg von einem Leben mit Schmerz- und Schlaftabletten samt Humpeln mit Gehhilfen.
„Hier kommen Leute von überallher“, erfuhr ich von den überaus freundlichen Schwestern. Die große Freundlichkeit, die auch Ausdruck einer großen Kompetenz ist, schlug mir bereits bei der Anmeldung entgegen. Am Abend hing eine Schwester ein Schild über mein Bett: „Nüchtern“ stand darauf. „Damit Sie morgen früh nicht noch aus Versehen abgefüttert werden.“ Danach kam ein Arzt herein: „Frau Beck, ich werde Sie morgen operieren!“ Es war Dr. Ralf Schaeffer, Oberarzt und zudem Mannschaftsarzt der Deutschen U21-Handball-Nationalmannschaft. Ich war glücklich. Und da stand eine Bibel im Schrank: das Neue Testament. Ich war wohl die Erste, die das aufschlug. Und was las ich? Mich traf fast der Schlag: Johannes 5,8 und 9: „Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin …“ Gibt es ein besseres Omen?
Am nächsten Morgen schob mir eine Schwester meine Patienten-Akte unters Kopfkissen und markierte mit einem Kugelschreiber die OP-Seite. „Damit ja alles in Ordnung geht.“ Natürlich studierte ich sofort alles durch – so viel Zeit musste sein. Alle Ergebnisse der Voruntersuchung waren dort festgehalten. Das Wichtigste aber: Ich war „keine Risikopatientin“. Um Punkt 8.30 Uhr wurde ich wie der kleine Häwelmann durch die Gänge geschoben. Vorher noch wurden meine Sachen im Schrank verstaut und der Schlüssel abgezogen. Diese Dinge „am Rande“ waren es, die mich dort besonders faszinierten. Ich schaffte es aber nicht, mir den Weg zu merken. Dann war ich im Vorbereitungsraum, und die freundliche Anästhesistin, die mit ihrer Mitarbeiterin wie im Zeitraffer arbeitete, wollte mir Mut zusprechen, weil ich doch die Beruhigungsspritze verschmähte. Ich konterte mit einem Witz, der die beiden zum Lachen brachte. Ich wusste ja, was mich erwartete, hatte mich bereits am Vorabend von meinem Hüftgelenk verabschiedet und mich für alles, was es für mich in über einem halben Jahrhundert getan hatte, bedankt. Und dann Hilfe von oben erbeten, dass alles optimal verliefe.
Im OP-Raum wartete bereits Dr. Schaeffer, und ich sagte ihm, dass ich mich freue, ihn zu sehen. „So, Sie bekommen jetzt Sauerstoff“, hieß es. Na gut, aber wann geht die OP denn endlich los?, sagte ich zu mir. Ich fühlte zur linken Seite hin – irgendetwas war da, aber keine Schmerzen, die waren grundsätzlich weg. Ich fühlte mich sehr matt, und damit war klar: Ich hatte alles bereits hinter mir. Nun war Dr. Schaeffer wieder da. „Frau Beck, es ist alles gutgegangen!“ Ich bedankte mich krächzend. „Und ich verbeuge mich vor Ihrem Können!“ Was zu diesem Zeitpunkt aber nur verbal ging.
Am nächsten Tag wurde ich von einer Physiotherapeutin namens Franzi und ihrer Kollegin aus dem Bett gehievt und auf die Beine gestellt. Was für ein Wunder – sie waren gleich lang. „Nun bitte einen Schritt nach links.“ In dem Moment gab es ein Déjà-vu: Meine Eltern und Großeltern und dazwischen ich, die gerade Laufen lernt und vor Freude außer sich ist. Das war ich auch.
Jeden Tag ging es nun etwas mehr bergauf. Am fünften Tag schaute der Chefarzt auf mein Pflaster. „Das wird was mit Ihrer Entlassung.“ Er, der wohl schon Zehntausende von Wunden betrachtet hat, sah, was sich darunter verbirgt – eine Narbe wie im Lehrbuch. Als ich termingemäß entlassen wurde, war auch ein bisschen Wehmut dabei. Alles lief wie am Schnürchen, und dafür, dass ich jetzt wie der Gelähmte in der Bibel meine „Vorderbeine“ wegwerfen konnte, ist sämtlichen engagierten Mitarbeitern der Kyritzer Station B, die daran beteiligt waren, größter Dank geschuldet – von Schwester Carina, die mir den erwünschten Halbmond-Termin gab, bis hin zu dem jungen Pfleger-Azubi, der letztlich den Kampf mit meinen Stützstrümpfen doch verlor. Aber die brauche ich jetzt sowieso nicht mehr.
Liebe Kerstin,
Gott und seine Engel haben Dir geholfen.
Vielen Dank für Deine ermutigende
Aufforderung etwas gegen die lebenslangen Schmerzen und die fortschreitende Bewegungsunfähigkeit zu unternehmen.
Deine wiedergewonnene Lebensfreude
Spricht aus jedem Deiner Worte
Andreas Ebel