Dennis Köthur erforscht stillgelegte und rückgebaute Bahntrassen
Herr Köthur, wie kommen Sie zu dem außergewöhnlichen Hobby, stillgelegte Bahnstrecken in ganz Europa zu fotografieren?
„Ich erzähle gerne das Bonmot, wie ich zum Eisenbahn-Archäologen wurde – es gibt nämlich doch eine familiäre Eigenheit: ein Stück originale Eisenbahnschiene der einstigen „KAE“, der Kreis-Altena-Eisenbahn, verbaut als Stahlträger in meinem Elternhaus. Mein Großvater hatte beim Umbau seines Hauses in den 1960er-Jahren direkt beim Gleisabbau Material gekauft. Er hatte seinen Arbeitsplatz an der Trasse, die Familie wohnte einige Jahre direkt an der Strecke in Oberrahmede. Die besagte KAE war eine Meterspurbahn, die von Altena über Lüdenscheid nach Werdohl verlief und schon früh eingestellt wurde.
Wie begann Ihre Leidenschaft für stillgelegte oder wenig genutzte Strecken?
Die Entdeckerlust auf Bahn spüre ich seit meiner Kindheit, ganz im Gegensatz zu meinen Eltern – im Sommer 1992 erlebte ich eine Dampfzugsonderfahrt auf der „Unvollendeten“, einer Bahnstrecke von Meinerzhagen nach Krummenerl, wo sonst nur Güterzugverkehr mit Schotter läuft. Das hat mich schon als 13-Jähriger total begeistert. Also nicht nur Zugfahren, sondern auch noch auf einer besonderen Trasse und mit einem Dampfzug – gleich drei Wünsche auf einmal. Aber ich musste meine Eltern für eine Zugfahrt motivieren, die die Meinung vertraten, dass „die Eisenbahn teuer und langsam“ sei. Zumal mein Vater als Ingenieur bei Kostal gearbeitet hat, einem Automobilzulieferer mit Schalter- und Fahrzeugtechnik.
Wie sind Sie auf stillgelegte Bahnstrecken aufmerksam geworden?
Das war auf der Westerwaldbahn, von Scheuerfeld nach Bindweide, Endstation war eigentlich Weitefeld. Aber es konnte eben nicht mehr bis zum Streckenende gefahren werden – da kam mir der Gedanke, zu Fuß weiter zu laufen. Das wurde zum Hobby. Denn dabei konnte ich gleich mehrere Interessen kombinieren: sportliche Bewegung in der Natur, Erkundung von Landschaft und die Fotografie. Zudem erstreckt sich meine Neugier auch auf die Geschichte der jeweiligen Trasse, und auch auf das, was davon noch vorhanden ist. Das war damals ziemlich mühselig, denn seinerzeit, im Jahr 1998, war an etwaige Special-Interest-Gruppen, wie „Stillgelegte Bahnstrecken“ bei Facebook, nicht zu denken. Auch nicht an so genaue Werkzeuge, wie sie Google Maps beziehungsweise Google Earth bieten. Lediglich erste Informationen zu den Trassen konnten wir damals schon im Netz finden, weil mein älterer Bruder Informatiker ist. So kam früh die Erfahrung, mich mit neuester Technik auf die alten Trassen vorzubereiten.
Wie kam es zu Ihrer Draisinenbegeisterung?
Das kam durch die Verbindung zu Rolf Schulze vom Verein Wendlanddraisine; wir haben uns bei einer Sonderfahrt auf der Drömlingbahn im Jahr 2015 kennengelernt.
Neben meinem klassischen Kalender gebe ich seit 2018 zusätzlich einen Draisinenkalender heraus, mit aktuellen Fotos diverser Draisinenstrecken in Europa. Neben dem bewährten „pocket railbike“ werden auch verschiedene Draisinenmodelle gezeigt. Deshalb habe ich auch im Wendland fotografiert, auf der Strecke Zernien–Dannenberg.
Wie kamen Sie auf die Idee, das Ganze fotografisch zu dokumentieren – und dann Kalender davon zu machen?
Zum einen fotografiere ich total gerne, zum anderen reizt mich die Dokumentation, vor allem, wenn ich die Strecke einige Jahre später erneut erkunde.
Wer interessiert sich dafür? Alte Auflagen Ihrer Kalender sind ausverkauft – sind das Sammlerstücke?
Es gibt tatsächlich verschiedenste treue Kunden – vom Eisenbahnfan bis zum Arzt, wobei keinem das Werk aufgezwungen wird. Der Druck ist mein Risiko, es gibt keine Möglichkeit zur Vorbestellung. Mir persönlich ist die Druckqualität und die Aktualität der Bilder wichtig. Deshalb wird der jeweilige Kalender möglichst spät, mit neuesten Aufnahmen erstellt.
Was machen Sie beruflich?
Aktuell bin ich in der Finanzkasse eingesetzt – als Finanzbeamter.
Wie viel Zeit wenden Sie für Ihr besonderes Hobby auf?
Nahezu die gesamte Freizeit, ich habe eigentlich nur zwei weitere Interessen: Lesen und Sporttauchen. Ich habe übrigens kein Auto.
Wie schätzen Sie die Perspektiven für die Jeetzeltalbahn ein?
Dazu müssen wir einen gesonderten Beitrag machen, das würde den Rahmen dieses Interviews sprengen.
Wie kam Ihr Kontakt in unsere Region, ihr Interesse für das Wendland zustande?
Auf zwei Wegen: einmal durchs Lesen über das Wendland als besondere Gegend und seine Geschichte; andererseits durch Arendsee – ein Sehnsuchtsort von mir, dort würde ich gerne leben, ein echter Geheimtipp, kaum zu glauben, dass so ein Idyll noch besteht. Von dort ist es ein Katzensprung ins Wendland mit seinen Singvögeln und der üppigen Natur.
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