Sie malt, was sie denkt

Auftakt: Erster Teil der Kiebitz-Reihe „Kunst und Corona“

bm/bv Groß Heide. In Lüchow-Dannenberg sind zahlreiche bildende Künstler beheimatet. Besonders für diese Berufsgruppe hat die Pandemie vieles verändert. Reale Ausstellungen sind nicht mehr möglich. Es gibt keine Vernissagen mehr, keine Symposien, keine Zusammenkünfte. Dabei lebt die Kunst auch von der Kommunikation, sind Künstler Teil eines Systems, was auf Austausch angewiesen ist. Und von den anderen leicht vergessen wird. Der Kiebitz macht sich in einer unregelmäßig erscheinenden Reihe auf den Weg zu den Künstlern, befragt sie, wie sie mit dem Shutdown umgehen, wie sich ihre Arbeitsbedingungen – und die wirtschaftliche Situation – geändert haben. Den Auftakt macht Irmgard Bornemann aus Groß Heide, die von Kiebitz-Redakteurin Andrea Beckmann besucht wurde.

Wenn man Künstler ist, hat man viele Möglichkeiten, sich auszudrücken. In diesen Zeiten beschäftigt das Thema „Kunst in der Krise“ viele Künstler aber nicht nur in ihren Gestaltungsmöglichkeiten, sondern auch existenziell. Irmgard Bornemann aus Groß Heide bezeichnet ihre Gemütslage als „gefrustet“, wie sie selbst sagt. Glücklicherweise müsse sie nicht von ihrer Kunst leben, sie mache aber einen großen Teil ihres Lebens aus. Genau betrachtet, beginnt Bornemanns Kunst direkt vor ihrem Haus. Aus ihrem Atelierfenster blickt sie auf einen Teich. Kopfweiden stehen an der Straße. Ihre beliebtesten Modelle – und von den Kunden gefragt. „Natürlich freue ich mich, wenn ich meine Bilder verkaufen kann, wenn Leute sie mögen, mich nach meinen Beweggründen fragen.

Viele kommen wegen der Kopfweiden.“ Das vergangene Jahr aber sei einschneidend gewesen. „Die Ausstellungen waren online, ich hatte eine in Berlin. Das ist überhaupt nicht meins. Mir fehlen die Gespräche, der künstlerische Austausch mit interessiertem Publikum und meinen Kollegen.“

Aus ihrer persönlichen Frustration heraus seien besondere Werke entstanden, in einer Weise, wie sie sonst selten arbeitet: „Ich hatte zwei große Bilder mit jeweils einer Blume gemalt. Ganz dick mit Öl. Als die Absage der Ausstellung ins Haus flatterte, habe ich einen Spachtel genommen und alles abgetragen, Schicht für Schicht. Übrig geblieben sind dann zwei farblich eher blasse Blumen. Es passte zu meiner Stimmung. So habe ich es dann im Rahmen einer Gemeinschaftsausstellung im Wendland.Elbe-Schauraum in Hamburg-Altona auch ausgestellt.“ Irmgard Bornemann malt, was sie denkt. Viel mehr, als dass sie es direkt sagen würde. „Ich sage es durch meine Titel, die dann sehr krass ausfallen können.“ Wie ihre Fußball-Collage. Dafür hat sie Bilder von sich umarmenden Profifußballspielern aus der Zeitung ausgeschnitten und drum herum das Coronavirus in bunten Farben gemalt, das Virus in all seinen Facetten. Der Titel? „Macht und Geld dürfen alles.“ Warum? „Es ärgert mich, dass Fußball als systemrelevant bezeichnet wird, die Spieler sich an keine Abstandsregeln halten. Was ist mit unseren Kindern? Die dürfen sich nicht treffen, dürfen nicht schwimmen lernen, haben keine Schule und keinen Sport. Sie aber sind unsere Zukunft.“

Sie selbst sehe ihre sieben­jährige Enkeltochter nur noch selten – wegen Corona. „Wir sind traurig deshalb.“ Manches mache sie wütend, anderes bedrücke sie. Trotzdem versucht sie, positiv in die Zukunft zu blicken. Sammelt Schrott und klebt diesen auf Leinwände – farblich gestaltet. „Ich arbeite auf eine Ausstellung im Sommer in Eckernförde hin und natürlich auf die Kulturelle Landpartie. Aber es fehlt der Elan. Man weiß nicht, was kommt.“ Bald beginnt die Zeit für die Federzeichnungen ihrer Kopfweiden, „und darauf freue ich mich schon“.

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