Auf keinen Fall unehelich

500 Jahre altes Bürgerbuch im Stadtarchiv

bm Lüchow. Mit weißen Handschuhen trägt Reiner Jansen das über 500 Jahre alte Buch von seinem Schreibtisch und legt es auf eine Arbeitsplatte. Es hat einen Umfang von mehr als 400 Seiten. Die vergilbten Seiten sind zum Teil eng beschrieben. Einige Schriften sind sehr verschnörkelt, mit kleinen Zeichnungen und Verzierungen am Rand, andere Seiten wiederum sind recht schlicht gehalten. Es handelt sich um Lüchows Bürgerbuch. „Das ist ein echter Schatz in unserem Archiv. Es hat den Stadtbrand von 1811 überlebt und ist für uns ein wichtiges Stück Historie“, informiert Stadtarchivarin Undine Stiwich. Auch Lüchows Bürgermeister Torsten Petersen ist zugegen, um das Buch in Augenschein zu nehmen: „Ich bin sehr froh, dass Undine und Herr Jansen sich mit der Übersetzung beschäftigen, denn das ist eine anstrengende und wohl nicht ganz leichte, aber sehr wichtige Arbeit.“

Anstrengend sei es tatsächlich, wie Jansen beschreibt, der seit etwa vier Jahren Stiwich bei ihrer Archivarbeit unterstützt. Ebenso wie sie kann er Sütterlinschrift lesen, „Schriften vom 15. bis zum 18. Jahrhundert waren die Vorgänger der Sütterlinschrift. Zu der Zeit gab es auch keine Rechtschreibung. Jeder schrieb so, wie er dachte. Daher gab es für jeden Buchstaben viele verschiedene Schreibweisen“, erklärt Stiwich.

„Es ist ein wenig, als ob man Latein übersetzt. Neben der Kenntnis der Buchstaben muss man den Verfasser der Texte verstehen, man muss wissen, wie er denkt und wie er sich ausdrückt.“

In den Schriften geht es vorrangig um Menschen, die sich um die Bürgerschaft der Stadt beworben haben. Dafür galt es Voraussetzungen zu erfüllen. „Maßgebend waren der Beruf, der Besitz von Vermögen und ein Leumund. Außerdem musste ein Bürgereid abgelegt und es musste ein Betrag in die Stadtkasse fließen“, erläutert die Archivarin. Ganz wichtig sei es zudem gewesen, nicht wendisch und nicht unehelich zu sein.

Mit ihrer Aufnahme ins Bürgerbuch wurden die dama­ligen Einwohner zu Bürgern und hatten damit auch Pflichten zu erfüllen: wie das Zahlen von Steuern oder die Stadt zu verteidigen. Die Höhe der einzuzahlenden Taler hing sowohl vom Beruf als auch vom Stand ab. „Ein Chirurg musste mehr einzahlen als ein Perückenmeister oder Knopfmacher“, weiß Jansen. So sei der Eintrag in das Bürgerbuch mit der Anmeldung des Gewerbes einhergegangen.

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