Lexikon des kleinen Mannes

Lüchower Welf Fischer sammelt Zigarettenbilder

rs Lüchow. Der Lüchower Welf Fischer liest gern und viel – zur Unterhaltung, aber auch, um sich zu bilden. Und der 68-Jährige ist Sammler und Bewahrer. Wesentlicher Schwerpunkt seiner Sammelleidenschaft ist sein „bebilderter Brockhaus des kleinen Mannes“, wie er schmunzelnd feststellt. Seit Mitte der 1980er-Jahre mehren sich in seinem Haus Zigarettenbilder­alben. Seine Sammlung umfasst derzeit etwas über 200 verschiedene Alben aus dem Zeitraum 1927 bis 1944. Neben jenen Zigaretten- und ­Tabak-Bilderalben verfügt er auch über Alben aus den Bereichen Reinigungsprodukte, Nahrungsmittel, Süßwaren und Zeitungen – und auch ­einige bebilderte Bezugsquittungen der EJZ aus den Jahren 1953 und 1954. „Ich besitze Alben von etwa 60 verschiedenen deutschen Firmen aus den Bereichen Fahnen/Flaggen/Wappen, Kunst/Malerei/Theater, Länder/Städte/Kolonien/Reisen, Militär/Geschichte, Natur/Pflanzen/Tiere, Schauspieler/Mode/Film, Sport, Technik, Propaganda Drittes Reich und Sonstiges“, klärt ­Fischer über seine Schätze auf, die er in tadellosem Zustand präsentiert – und die eben nicht nur aus Bildern, sondern auch aus umfangreichen Erklärtexten bestehen, die durchaus in ihrer Zeit den Anspruch hatten, in ihrer Gesamtheit ein Lexikon darzustellen. „Natürlich muss das Beschriebene – vor allem bei politisch motivierten Alben – in den historischen Kontext eingeordnet werden, aber man erfährt viel über das Denken in der damaligen Zeit“, führt der Sammler weiter aus, der einige Exemplare geerbt, andere auf Flohmärkten erstanden hat. „Aber nur vollständige Alben.“

Und dann beginnt Fischer eine Reise in die Zeit, da Hersteller durch das Beilegen von Sammelbildchen für den Kunden Anreize schufen, ihre Produkte zu kaufen. Dieses System, das auf dem Wunsch basiert, Sammlungen zu komplettieren, funktioniert noch heute.

Die Idee, Bilder zur Verkaufsförderung von Ware in Deutschland einzusetzen, wird Franz Stollwerck (1815–1876) zugeschrieben, der bereits ab 1840 „Bilder-Chocolade“ oder „Photographie-Chocolade“ produzierte. „Durch Stollwercks Erfolg begannen viele weitere Firmen – etwa Sarotti, Liebig oder Palmin –, für den Kauf ihrer Produkte auf diese Art und Weise besondere Anreize zu schaffen“, berichtet der Rentner, der einst in der Kreisverwaltung tätig war und 2021 die Collie-Bilderausstellung im Museum Wustrow mitbestückte. Zu den Einzelbildern seien später Serien, meist zu sechs Bildern, gekommen. „Etwa ab 1910 wurden die hochwertigen Sammelbilder durch die meist kleineren und weniger anspruchsvollen Bilder der aufstrebenden Zigarettenindustrie verdrängt.“ Über 450 Firmen in Deutschland hätten von 1920 bis 1945 solche Bildchen produziert. Billigere Drucktechniken und höhere Auflagen führten schließlich zu einem Begriffswandel; das Sammelbild war fortan zu einem unter dem Begriff Zigarettenbild verbreiteten Massenprodukt geworden, dessen Alben nun meist einer bestimmten Thematik gewidmet waren.

„Diese verschiedenformatigen Alben waren mit Preisen von um einer Reichsmark sehr günstig“, berichtet Fischer. Sogar einen Bilderdienst, wo man fehlende Bilder anfordern konnte, habe es gegeben.„Die Auflagen gingen in die Millionen, die der Bilder sogar in die Milliarden.“ Im Lauf des Zweiten Weltkrieges wurde die Produktion jedoch eingestellt und erst nach Kriegsende wieder aufgenommen – dann meist als Margarinebildchen, da die Bundesregierung 1955 verbot, Tabakprodukten Sammelbildchen beizulegen. Einen neuerlichen Aufschwung habe es in den 1960er-Jahren durch die Panini-Fußballbildchen gegeben. Doch die Sammlerschar werde geringer, ebenso der Wert der Bilder. Als „Bewahrer der Vergangenheit“, wie ihn seine Familie tituliert – Fischer übersetzt auch alte Sütterlin-Schriften –, freut er sich, dass sein Sohn die Alben wertschätzt und übernehmen werde.

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