bv Nienwedel. Wer durch das Storchendorf Nienwedel unweit der Elbe fährt, hat es sicher schon gesehen: das auffällige Verkehrsschild, welches zur Vorsicht wegen Störchen mahnt – zwischen Februar und September. Nun ist es noch auffälliger: Es wurde überklebt mit dem Hinweis „ganzjährig“. Denn seit dem 21. Dezember 2024 hat Lüchow-Dannenberg ganz offiziell seinen ersten Winterstorch. „Dann nämlich begann der Winter“, berichtet Storchenbeauftragte Antje Fäseke. Und Nanu, wie sie den Vogel getauft hat, der in Nienwedel auf dem Boden geblieben ist, ist immer noch am Leben – auch dank der Hilfe einiger Dorfbewohner.
Es ist ein Ritual, welches jeden Vor- und Nachmittag in Nienwedel stattfindet: Landwirt Wilhelm Martens verlässt seinen Hof und geht Richtung Dorfmitte. Martens ruft laut: „Hallo Storch!“ Und dann kommt Storch Nanu um die Ecke gelaufen, um seine Mahlzeit – Mäuse und Sprotten – entgegenzunehmen.
Eigentlich sei es aus naturschützerischer Sicht ein „No-Go, Winterstörche zu füttern“, erläutert die Storchenbeauftragte. „Das sind Wildtiere, und das sollen sie auch bleiben.“
Aber Nanu hätte sonst wohl keine andere Chance gehabt. „Das winterliche Nahrungsangebot mag für einen Storch ausreichend sein, der sich voll bewegen kann. Das kann Nanu nun mal nicht.“ Kurze Strecken könne er fliegen, aber das meiste gehe er zu Fuß. „Einmal haben wir ihn nahe Lüggau entdeckt. Er hat wohl nicht mehr zurückgefunden“, mutmaßt Fäseke. Störche bräuchten den Blick von oben, um sich zu orientieren. Der fehlte Nanu. Aber gemeinsam mit einem Helfer hat sie Nanu vorsichtig zurückbegleitet, nach Nienwedel. Über Stunden.
Im Dorf haben sie ihm sogar ein niedriges Nest auf einem Wagenrad gebaut, auf dem Grundstück von Familie Hadrossek. Einen kleinen Hügel hatte Nanu dort bereits vorher als Schlafplatz auserkoren. Darauf wurde das Nest errichtet, in drei Metern Höhe, das mit einer Leiter versehen wurde, über die der Storch ins Nest gelangen könnte. Nur: Nanu hat dazu keine Lust. Er bleibt lieber auf dem Hügel stehen und zieht ein Bein an, für die Nachtruhe. „Ein Fuchs ist da bisher noch nicht hochgegangen“, meint Fäseke.
Nanu, dessen rechter Flügel etwas deformiert ist, wie ein Blick durchs Spektiv am 1. Januar verriet, konnte sich nicht mit seinen vielen Artgenossen auf den Weg in den Süden machen. Es war unklar, ob und wie er die Zeit ohne Kameraden übersteht. Aber bisher ging alles gut. Auch, da sich viele Menschen um Nanu kümmern. Allen voran die Storchenbeauftragte selbst, die nahezu täglich ihre Runde auch über Nienwedel fährt und nach „ihrem Nanu“ Ausschau hält.
In der WhatsApp-Storchengruppe gab es einen Aufruf, um geeignete Nahrung für Nanu zu beschaffen. Am besten geeignet seien Mäuse, die mit einer Schlagfalle gefangen und dann tiefgefroren werden. „Es gibt Menschen, die das machen und ihre Beute an Landwirt Wilhelm Martens weiterreichen, der Nanu täglich mit Fisch und toten Mäusen füttert“, erläutert Fäseke. „Sardinen mag er gar nicht, aber Sprotten nimmt er gerne“, ergänzt Martens. Eine weitere kulinarische Vorliebe von Nanu seien Hühnerherzen.