Vom Alltag der Kriegskinder

Gerd Basedow über seine Jugend in Damnatz 1944

bv Groß Heide. Wenn das Groß Heider „Archiv der unveröffentlichten Texte“ ruft, kommen die Zuhörer vor allem dann, wenn es um das Thema Zweiter Weltkrieg geht. Gerd Basedow, vor 84 Jahren in Damnatz geboren, ist Zeitzeuge und vermittelt sein Wissen noch immer gern. Wobei seine Erinnerungen bereits als Buch vorliegen – wenn auch längst vergriffen.

Der Krieg in der Ukraine ­mache deutlich, wie wichtig es sei, daran zu erinnern, dass es gerade mal ein Menschenleben her sei, dass auch vor Ort Menschen durch Krieg zu Tausenden den Tod fanden, so Archiv-Gründerin Dr. Sibylle Plogstedt. „Wir haben ein Stück vom Finale dieses furchtbaren Geschehens miterlebt“, beginnt Basedow. Wegen einer Augenerkrankung musste sein Vater nicht in den Krieg ziehen – ein Vorteil nach dem Krieg. „Überall sonst mussten die Frauen und die Altenteiler alles erledigen“ – die meisten Männer waren am Ende des Krieges in Gefangenschaft oder gefallen.

„Jung iss, is Krieg.“ Gerhard Basedow erinnert sich an einen Satz seiner Großmutter und beginnt mit einem Foto der Dorfjugend: „Das war 1942, da waren wir noch unter uns.“ Bis Juni 1943 sei Damnatz ziemlich unbehelligt geblieben. Basedow erinnert sich an die „Fremdarbeiter“, Zwangsarbeiter aus Polen und Russland, die als „Untermenschen“ an einem Extratisch essen mussten, den Kindern aber kleine Spiele beibrachten. In Damnatz wurden sie weitestgehend gut behandelt, erinnert sich der Referent.

Nach Bombardierungen kamen Stadtbewohner, dann auch russische Kriegsgefangene nach Damnatz. Sie hausten auf dem Gelände des heutigen Gasthofs Steinhagen „unter erbärmlichen Bedingungen“. Die Dorfkinder dagegen lachen unbefangen in die Kamera. Abgestürzte Jagdflieger werden zu Abenteuerspielplätzen, Munitionsreste hat jedes Kind bei sich.

„Ernsthaft hat uns bis dahin noch nichts erwischt“, so Basedow. Aber Feuerschein und Erschütterungen von Bombardements, gar der Hamburger Feuersturm, waren auch bis Damnatz zu sehen, zu riechen und zu spüren.

Im Winter 1945 kamen Vertriebene. „Willkommen waren sie nicht“, erinnert sich Basedow, „aber man rückte zusammen.“ Die Zerstörung der Dömitzer Elbbrücke sei der „erste Paukenschlag“ gewesen, dann wurde die ganze Gegend zum „Brückenkopf Dömitz“ erklärt und von der Wehrmacht vermint. Die erste Granate verletzte am 22. April drei Kinder, darunter Basedow selbst. Am Abend gab es erste Tote, dann brannten Gebäude ab, amerikanische Panzer kamen. Der erste wurde von einer Mine in die Luft geschleudert und blieb „wie ein Käfer auf dem Rücken liegen“. Fünf Soldaten verbrannten. Basedows Erinnerungen rücken die Einzelschicksale in eine beklemmende Nähe.

Ein Dorfbewohner hatte eine Mine entdeckt, war ins Dorf gerannt, um Hilfe zu holen. Auf dem Rückweg wurden er und sein Helfer von einer anderen Mine getötet. „Überlebt zu haben war nicht selbstverständlich“, so Basedow, der das Glück hatte, dass seine Mutter mit anderen Frauen und ihm im Kinderwagen durch eine Panzerspur, die neben einem ausgebrannnten Panzer lang führte, gegangen war – das war beschwerlich, aber das war unser Glück“, denn nur „zwei Meter daneben lag eine tödliche Mine – sie traf die anderen“, so Basedow.

In der regen Diskussion ging es um die Zeit nach dem Krieg. „Man war froh, wenn man etwas anzuziehen hatte. Alles, was man fand, war zu gebrauchen.“ Im zweiten Nachkriegssommer war der Wasserstand der Elbe so niedrig, dass man hindurchgehen konnte. „Was man aber nicht durfte“, die Elbe war Grenzfluss geworden. Schleuser brachten Menschen von einem Ufer zum anderen – und Damnatz wurde Drehort für den „Film ohne Titel“ mit ­Hildegard Knef.

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