Von Brennesseln und Kranzjagen
Lüchow. In einigen Dörfern gingen die Burschen am Abend vor Pfingsten vor die Fenster der Mädchen, um das sogenannte Brennergeld oder auch Nettelgeld einzusammeln. Wenn ein Mädchen nicht bezahlen wollte, so wurde es gefangen und mit Brennnesseln an den Beinen verbrannt. Die Bedeutung des Brennens im Volksglauben ist Fruchtbarkeit und auch als Liebeszauber sollte es wirken. Überliefert ist auch, dass in manchen Dörfern die Mädchen am ersten Pfingsttag gebrannt wurden. Am zweiten Pfingsttag war es umgekehrt. Die Mädchen versuchten die Jungen zu brennen, wenn es ihnen gelang, sie zu fangen. Da es äußerst schwierig war, konnte nur eine List helfen. Alle Mädchen des Dorfes taten sich zusammen und lauerten dem Burschen auf, den sie brennen wollten, überfielen ihn, um die Brennnessel zum Einsatz zu bringen. Es war meist ein schwieriges Unterfangen. So manches Mädchen bekam dabei noch einen Teil Brennnessel ab.
Am zweiten Pfingsttag fand das Kranzjagen statt. Dabei handelt es sich um ein Wettreiten der Jungen auf ungesattelten Pferden. Alle Teilnehmer und auch die Pferde wurden mit bunten Bändern geschmückt. Eine Wiese diente als Rennplatz. Am Ziel hingen Kränze aus Laub an einer Stange. Wer beim Reiten mehrere Kränze erreichte und aufnahm, wurde zum König gekrönt und erhielt als Sieger einen Kranz aus den Händen des Mädchens seiner Wahl. Der zweite Sieger war der Diener, der nur einen Strauß bekam, der Letzte war der Pracher. Er musste nach dem Rennen mit einer Kiepe umhergehen und bei allen Zuschauern Geld, Würste, Eier, Speck und Schnaps einsammeln. Am Abend gab es dann ein Fest mit Musik und Tanz.
Nach dem Krieg gab es nur noch wenige Pferde. Als ich Kind war, habe ich noch erlebt, wie die Burschen nicht auf Rädern, sondern auf Fahrrädern das Pfingstjagen austrugen. Die Räder waren mit Bändern und Birkengrün geschmückt und ab ging die rasante Fahrt über die Wiese. Dabei ging so manches Fahrrad zu Bruch.
↔Von Undine Stiwich