Ein Hollywood-Drehbuch

Dänenkönig Waldemar saß in Dannenberg ein

os Dannenberg. Spannend wie ein Hollywood-Drehbuch sind die Hintergründe, die vor genau 800 Jahren den Dänenkönig Waldemar II. und seinen Sohn nach Dannenberg verschlugen. Man schrieb das Jahr 1223, als das kleine Schloss Dannenberg in den Fokus der internationalen Politik und der Ritterschaft rückte. Anlässlich des Jubiläums dieser Haft erinnert die Stadt Dannenberg an ihren berühmten „Gast“ und seine „ehrenvolle Haft“. Susanne Götting-Nilius lud als Leiterin des Stadtarchivs und Museums im Waldemarturm zwei Experten nach Dannenberg ein, auf dass sie Licht ins dunkle Mittelalter bringen. Etwa fünfzig Gäste folgten vor Kurzem einer kurzweiligen Runde im Dannenberger Ostbahnhof. Prof. Dr. Oliver Auge und Prof. Dr. Carsten Jahnke, ihres Zeichens Historiker und Professoren an den Universitäten Kiel beziehungsweise Kopenhagen, lieferten sich einen höchst unterhaltsamen Historikerstreit. Das Thema gab einiges her. Nicht zuletzt die Erkenntnis, wie sehr Geschichtsschreibung aus Sicht der Betroffenheit und im Zuge des Zeitgeistes variiert. Während der Pause stellte Professor Jahnke mit einem Schmunzeln klar: „Egal was hierbei nachher rauskommt, wichtig ist: Ich habe recht.“

Unstrittig ist: Graf Heinrich der Schwarze von Schwerin entführte im Mai 1223 den Dänenkönig Waldemar II. und seinen Sohn von der dänischen Insel Lyö während eines Jagdausfluges. Deutsche Historiker führten im Lauf der Jahrhunderte eine ganze Reihe von rechtfertigenden Beweggründen auf: Der König habe mit der Frau des Grafen Ehebruch begangen, während der tapfere Graf sich auf Kreuzzug in Jerusalem befunden habe. Außerdem habe der König sich dessen Grafschaft unter windigen Umständen unter den Nagel gerissen – da hätte der Dänenkönig es nicht besser verdient. Die Geschichts­-schreibung habe sich im Zuge des aufkeimenden Nationalismus Deutschlands zunehmend auf die Seite des Grafen geschlagen, so Prof. Auge. Den dänischen Chronisten, so Prof. Jahnke, reichte grundsätzlich der Hinweis auf die heimtückische und unehrenhafte Hinterhältigkeit, die deutsche Fürsten im Allgemeinen und jenen Grafen im Speziellen halt schon damals ausgezeichnet habe. Denn die Art der Entführung erinnert an Hollywood: Der Graf verschleppte den unbewachten König quasi im Schlafanzug aus dessen Bett, was seinerzeit ein unfassbarer Affront gewesen sein muss. Dabei war der Graf zuvor noch als Gast des Königs geladen, hatte sich aber – wie Quellen behaupten – tagsüber entschuldigen lassen, nur um seinen Plan nachts unbemerkt ausführen zu können. Unwidersprochen von seinem Kollegen stellte Prof. Jahnke die dänische Sicht dazu dar: „Das macht man einfach nicht mit einem König! Damals noch weniger als heute!“

Waldemar wurde erst nach Lenzen gebracht und dann – aus Sicherheitsgründen – auf die andere Seite der Elbe nach Dannenberg. Das lag so versteckt in den Sümpfen, dass mit einer Befreiungsak­tion nicht zu rechnen war. Waldemar blieb denn auch in Gefangenschaft und wurde erst nach einer Lösegeldzahlung wieder auf freien Fuß gesetzt. Den Dänen sei die ganze Sache so unfassbar peinlich, dass man den Mantel des Vergessens über den König ausbreitete. Nicht einmal in den Schulbüchern gäbe es heute noch Hinweise auf Waldemar II.

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