Licht bringt Leben – und den Tod

Serie Nachtfalter – zweiter und letzter Teil

lk Lüchow. Im zweiten Teil seiner Miniserie „Nachtfalter“ geht es dem Lüchower Schmetterlingsexperten Martin Gach unter anderem um die Frage: „Wie und woran orientieren sich eigentlich Nachtfalter und andere nachtaktive Insekten?“

Ein großes Problem für die Tiere sind künstliche Lichtquellen wie Werbebanner, Straßenlaternen, Gartenlampen und illuminierte Schaufenster. Nachtfalter orientieren sich normalerweise nachts am Mond oder den Sternen, diese sind weit entfernt. Beim nächtlichen Ausflug wird ein konstanter flacher Winkel zum Mond oder einem hellen Stern gehalten. Wenn jetzt eine andere Lichtquelle in der Nähe ist, ändert sich der Winkel schnell und stetig, das Insekt wird abgelenkt und der sogenannte Kunstmond angesteuert. Gestört von der fremden Lichtquelle korrigiert das Insekt instinktiv die Flugrichtung und wird so unablässig in endlose Kreisbahnen um Straßenlaternen dirigiert. Diese massive Kraftanstrengung kostet viel Energie und der Falter stirbt völlig erschöpft. Im wahrsten Sinne des Wortes fliegen Falter voll auf kurzwelliges Licht ab, dieses macht sie fast willenlos. Die blaue, violette oder ultraviolette Strahlung allerorts zieht Insekten magisch an und ist todbringend. Die Sogwirkung von nächtlichen Lichtquellen könnte eine entscheidende Rolle beim Insektensterben spielen, wie eine kürzlich veröffentlichte Zusammenfassung von über 200 Studien ergab. Als weitere Ursache für das rasante Insektensterben wurde die moderne Landwirtschaft mit ihrem Einsatz von Pestiziden ausgemacht. Wissenschaftler erregten 2017 in einer Studie sehr viel Aufsehen. Diese zeigte, dass 75 Prozent der flugfähigen Biomasse innerhalb von 27 Jahren verschwunden ist. Viele Kommunen und auch Privatpersonen stellen derzeit auf das energiesparende LED-Licht um. Man könnte meinen, dass diese Maßnahmen sinnvoll sind, jedoch ist das helle, grelle Licht weitaus schädlicher für Mensch und Natur. Je höher der UV-Anteil ist, umso mehr fliegt die nächtliche Biomasse die Lichtquellen an. Besser wäre ein warmes rötliches Licht mit einer Farbtemperatur von 3 000 Kelvin.

Die Falterforscher benutzten superaktinisches Licht mit einem höheren Blauanteil für ihre nächtlichen Untersuchungen. Dabei setzen sich die Falter auf einen zylindrischen Gazestoff und können so bequem bestimmt werden. Wenn der Leuchtabend zu Ende ist, werden alle Falter abgenommen und das Licht ausgemacht. Laut BUND sind 50 Prozent der Nachtfalterarten gefährdet. Für einen Leuchtabend sollte es nicht zu trocken sein, der Himmel nachts bedeckt, damit die Wärme gehalten wird, kühle, wolkenfreie Nächte mit Vollmond sind ungeeignet. Jeder Monat bietet seinen Reiz für die Falterforschung.

Zu Beginn des Jahres etwa fliegt der Schneespanner nachts umher. Dabei suchen die Männchen die flügellosen Weibchen, die im Geäst der Bäume warten. In warmen Winternächten kommen sogar die ruhenden Wintereulen (Nachtfalter) raus. Sehr spannend wird es, wenn man im Dunkeln mit einer Stirnlampe an solchen Abenden im Wald spazieren geht. Der Lichtstrahl der Lampe bringt die Augen derer zum Leuchten, die rastlos in der Nacht umherirren. Hin und wieder findet man so unter Efeu oder Brombeerbüschen einen schlafenden Zitronenfalter, der auf die wärmenden Strahlen der Sonne des Frühlings wartet. Überwinternde Raupen zahlreicher Arten verlassen ihr Versteck und beginnen zu fressen – alles ist plötzlich wach und aktiv. Werden die Nächte frostiger und der Reif überzieht die Vegetation, verkriechen sich alle wieder in die schützende Streuschicht des Waldes. Kommt so langsam der Frühling, erhöht sich die Häufigkeit der Arten, und der erste Leuchtabend kommt rasch näher. Meistens geht es Mitte März los, die Winter – heutzutage klimatisch sehr angenehm – begünstigen den frühen Start. Die Vielzahl der Formen und Farben der Lebewesen, die nachts umherfliegen und kriechen, ist schier unendlich und die Freude jedesmal groß.

Ich finde, dass das höchste Gut des Menschen neben seiner Gesundheit und der Familie die Natur sein sollte. Wir alle leben in ihr und mit ihr. Schöne Erlebnisse erden uns, geben uns Zufriedenheit, stärken das Immunsystem und spornen uns weiterhin an, Gutes zu tun. Schiebt man die Pandemie beiseite, war es ein Jahr voller interessanter Beobachtungen und toller Erlebnisse in der Natur. So wurden ein Totenkopfschwärmer und ein Windenschwärmer gefunden und gemeldet, beide Arten kommen als Wanderfalter vom Mittelmeer zu uns und sind nicht alltäglich. Auch bei den Tagfalterarten sah es gut aus, so konnten der Kleine und Große Schillerfalter im Blütlinger Holz beobachtet werden und noch mehr.

Mit diesem Bericht für 2020 möchte ich schließen und mich für die Begeisterung und Ihr Interesse bedanken. Bleiben Sie alle gesund und munter, der Kampf um Mutter Natur wird im nächsten Jahr weitergehen.

↔Herzlichst, Ihr Martin Gach

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