Abschied: Wolf Richters Atelier wird aufgelöst
bv Klein Wittfeitzen. Stephan Richter ist extra zur KLP aus Norwegen angereist. Im Wald bei Klein Wittfeitzen löst der 66-Jährige das verwunschene Atelier seines kürzlich verstorbenen Bruders auf, das des Künstlers Thomas Richter. Der war im Wendland besser bekannt als Wolf – sein selbst gewählter Name für seinen letzten Lebensabschnitt, den er als einsamer Wolf am Rande des Waldes verbrachte. Und eigentlich wollte dieser Wolf im Altenheim in Lüchow noch einige produktive Jahre verbringen – mit Hilfe, aber selbstbestimmt. Nur: Das Leben spielte anders. Am 14. Dezember vergangenen Jahres starb Wolf Richter überraschend. Er hinterließ ein Atelier voller Kunstwerke, aber keine Kinder. „Eine ganz bewusste Entscheidung“, erklärt sein Bruder: „Thomas ließ sich im indischen Poona sterilisieren und kommunizierte das ganz offen. Er wollte auf keinen Fall Nachkommen in die Welt setzen, empfand das als zu große Verantwortung.“
Der berühmte Bhagwan Shree Rajneesh, der mit den vielen Rolls-Royce, gab ihm damals einen besonderen Namen: Garbha. „Das ist Sanskrit und bedeutet Gebärmutter“, berichtete der Künstler noch zu Lebzeiten: „Meine Mutter nannte mich Thomas, Bhagwan nannte mich Gebärmutter. Irgendwann dachte ich, verdammt, alle geben mir Namen. Das kann ich doch selber entscheiden. Und dann wurde ich Aladin – kreativ, abenteuerlustig, bekannt wie ein bunter Hund.“
Szenenwechsel: Bruder Stephan fegt Laub vor dem Holzhaus im Gohlauer Weg 4 zusammen. Er hat gerade Besuch bekommen von Wolfs vieljähriger Lebensgefährtin Naveen. Die hat Lulu übernommen: Die betagte Mischlingshündin war Wolfs einzige Begleiterin in seinen letzten Jahren. „Lulu geht es gut“, freut sich Richter, der Haus und Garten in Ordnung bringt. Zum langen KLP-Pfingstwochenende hatte er die Ateliertüren ein letztes Mal geöffnet. Aber auch danach haben Kunstinteressierte noch die Möglichkeit, einen Blick auf all die bunten und kreativen Werke zu werfen, die sein Bruder Wolf aus allen möglichen Materialien mixte – Lichtobjekte, 3-D-Installationen, großformatige Fotografien hinter antiken Fensterrahmen. Sie werden günstig abgegeben. Als Erbe muss er den Hausstand auflösen. Vor allem in den letzten Jahren sei er seinem Bruder wieder nähergekommen. „Ab und zu brauchte er Hilfe. Und da habe ich ihn gerne besucht.“
Unterschiedlicher können zwei Brüder kaum sein. Der eine lebt nach Jahrzehnten in aller Welt zurückgezogen im Wald. Der andere wählt seinen Lebensmittelpunkt schon als junger Mann in Norwegen, gründet eine große Familie. Er hat fünf Kinder und inzwischen vier Enkel. Hat sein Berufsleben als Sozialarbeiter verbracht. Wenn man genauer hinsieht, erkennt man Gemeinsamkeiten. Beide Brüder zieht es in die Ferne, beide streben nach Erweiterung des Bewusstseins. „Er war fünf Jahre älter. Während Thomas sich für die Entwicklung des Bewusstseins entschied, war ich schon Teil der No-Future-Generation. Wir waren die ersten Ökos. Freunde und ich wollten als Selbstversorger auf dem Bauernhof leben. Wir sind auf einem Hof in Norwegen gelandet und letztlich gescheitert.“ Richter heiratete eine Norwegerin, studierte Sozialarbeit und blieb. Seine Kinder sprechen Deutsch als Fremdsprache. „Ich kann mir ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen. Mein Bruder hat sich dagegen entschieden. Er sagte: ,Du machst die Kinder, ich mach die Kunst.‘ Thomas war immer auf Reisen, lebte in Syrien, Libanon, Jordanien, Pakistan, und natürlich in Poona. Er verbrachte einige Jahre in Oregon, auf der Insel Sulawesi und viele Jahre auf Bali. Er war Rikschafahrer in Vrindavan und später erfolgreicher Designer und Fotograf auf Sylt. Seine letzte Station: Waddeweitz im Wendland.“
Die Ausstellung im Gohlauer Weg 4 in Klein Wittfeitzen ist nach Absprache zu sehen. Info: (0 58 49) 47 49 98 6.