Nachtfalter: oft übersehen und doch so bedeutsam

Lüchower Schmetterlingsexperte entführt mit Kleinserie in die Dunkelheit

lk Lüchow. Seit seiner Jugend beobachtet der Lüchower Martin Gach Schmetterlinge. Die zerbrechlichen Wesen faszinieren ihn ganzjährig. Mit einer zweiteiligen Kleinserie möchte Gach auf die Welt der Nachtfalter im Wendland aufmerksam machen:

Nachtfalter sind Schmetterlinge, die in der Dämmerung aktiv werden und nachts umherfliegen. Die dunkel und dezent gefärbten Insekten werden fälschlicherweise oft als Motten bezeichnet. Diese Titulierung löst bei Experten, die sich mit dieser sehr interessanten Insektengruppe beschäftigt haben, Entsetzen aus. Die umgangssprachliche Bezeichnung „Motte“ kommt vom englischen „moth“ und zielt mehr auf die Familie der Motten, die zu den Kleinschmetterlingen zählt. In Deutschland gibt es etwa 3 300 Nachtfalterarten, diese werden in nachtaktive Klein- und Großschmetterlinge unterteilt. Im Vergleich gibt es in Deutschland 189 Tagfalterarten, schaut man auf die Nachtfalter, so liegen diese – gemessen an der Vielfalt der Arten – mit 95 Prozent klar vorne.

Genauso wie bei den Tagfalterarten werden auch die Nachtfalter in verschiedene Familien eingeteilt. Diese illustre Gesellschaft von Bären, Glucken, Schwärmern, Spinnern, Sichlern, Spannern und Eulen fliegt im Dunkeln los, um etwas für die Natur und die Menschen zu tun. Nachtfalter spielen in der Bestäubung von Pflanzen nämlich eine wichtige Rolle, die oft übersehen wird. Britische Forscher veröffentlichten in dem Fachblatt „Biology Letters“, dass Nachtfalter die gleichen Blühpflanzen wie Bienen, Hummeln und andere Insekten anfliegen, jedoch auch jene bestäuben, die weniger beliebt bei Fluginsekten sind.

Es gibt etwa 3 300 Nachtfalterarten

Die Studie um das Team von Richard Walton vom University College in London fand heraus, dass Nachtfalter in der komplexen Beziehung zwischen Pflanzen und bestäubenden Insekten einen bedeutenden Baustein darstellen. In dieser Studie geht es um die Bestäubungswege von nachtaktiven Faltern und tagaktiven Insekten wie Bienen, Schwebfliegen und Tagfaltern. Das Untersuchungsgebiet umfasste neun Teiche im landwirtschaftlichen Osten Englands. Die Wissenschaftler untersuchten die Anbausaison von März bis Oktober 2016 und 2017. Dabei erfassten sie einmal im Monat, welche Pflanzen wie häufig von welchen Insekten besucht wurden. Von 838 untersuchten Nachtfaltern transportierten knapp die Hälfte (45,5 Prozent) Pollen.

Insgesamt wurden von den Forschern 103 Nachtfalterarten identifiziert, insbesondere aus den Familien der Eulenfalter und Spanner. Der Blütenstaub befand sich meistens im flauschig behaarten Brustbereich der Falter, weniger am Saugrüssel. Die Körper der Nachtfalter sind oftmals haarig, somit lassen sich Pollen bei der Berührung von Pflanzen spielend leicht verteilen. Das Pollennetzwerk ist bei Nachtfalterarten größer und komplexer als das der Tagesbestäuber.

Honigbienen und Hummeln sind zwar als Superbestäuber bekannt, nutzen aber überwiegend die produktivsten Nektar- und Pollenquellen. Nachtfalter hingegen sind präziser, sie arbeiten effektiver und gezielter, um die Diversität der Pflanzenpopulationen gleichmäßig zu bestäuben und so zu fördern. Wenn man die Studie des University College London liest, wird einem schnell klar, dass unsere Schmetterlinge – gleich, ob Tag- oder Nachtfalter – die wichtigsten Bioindikatoren in der Kulturlandschaft sind.

Ich kann nur wiederholen, dass Saumbiotope wie Feldraine, Seitenränder an Bundes- und Kreisstraßen, Ackerbrachen, Grabenbereiche und Deichanlagen als Nischenlebensräume überlebensnotwendig für Flora und Fauna sind. Auf diesen Insektenautobahnen wird gerastet und kopuliert, um anschließend zum nächsten Habitat zu fliegen. Durch diese Art der Vernetzung wird die ausgeräumte Landschaft aufgewertet und die Biodiversität unterstützt. Die geförderten Blühstreifen aus pollen- und nektararmen, nicht heimischen Wildblumen sind wertlos, da es keine gewachsenen Strukturen für Insekten sind, die, je nach Art, dort einen Lebensraum finden. Warum werden Feldraine, wie zum Beispiel die auf dem Thurauer Berg, abgemäht? An den Rändern der Wege zu den Windrädern blüht es wunderschön, außerdem summt, brummt und flattert es. Warum werden nicht Feldraine gefördert, statt lieblose und wirkungsschwache Blühstreifen anzulegen. Es ist so mühselig, den Stellenwert unserer Natur denen zu erklären, die täglich auf den Feldern unterwegs sind. Ich kann mich gut an meine Kindheit erinnern, als noch viele Nachtfalter um die Straßenlaternen schwirrten. Der Sommer war die Zeit, in der wir oft gezeltet haben und fast die ganze Nacht unterwegs waren. Um Nachtfalter einzufangen, guckten wir grundsätzlich unter Straßenlaternen nach. Dort warteten wir mit unseren selbstgebastelten Netzen. Spannend wurde es erst, wenn ein Falter im Netz war und dieser mittels eines Fachbuches bestimmt werden konnte.

Wie und woran sich eigentlich die Nachtfalter und andere nachtaktive Insekten in ihrem Umfeld orientieren? Das verrate ich Ihnen in der kommenden Woche im zweiten Teil. ↔Ihr Martin Gach

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