Ein Roland befand sich einst in Cumlosen
kek Besandten. Das kleine Dorf Besandten in der Lenzer Wische hat bis jetzt noch nicht viel von sich reden gemacht. Doch das wird jetzt wohl anders werden. Als vor 20 Jahren Dr. Eckhart Peters damit begann, die alte, inzwischen in sich zusammengebrochene Mödlicher Pfarrscheune, die in Wirklichkeit ein Pfarrhaus gewesen war, balkenweise nach Besandten umzusiedeln und auf einer ehemaligen Hofstelle wieder in Pracht und Herrlichkeit aufzurichten, ahnte er noch nicht, was er dabei entdecken würde. Und damit sind nicht nur die beiden 1519 und 1521 datierten Deckenbalken gemeint, die das Fachwerkgebäude zu dem ältesten der Region küren.
„Als ich den vierten Ständerbalken vor mir hatte, der leider nicht mehr verwendbar war, hatte ich das Gefühl, als würde etwas Besonderes darin stecken“, meinte der ehemalige Leiter des Magdeburger Stadtbauamtes, der es nicht nur beruflich auch mit Holz hat. Immer mal wieder machte sich der Architekt an dem Pfeiler zu schaffen, hobelte, schliff, zog ab, kratzte und glättete schließlich. Und da war sie plötzlich da: eine Figur mit eindeutig weiblichen Formen, etwas mager und ausgehöhlt zwar, aber dennoch unverkennbar weiblich.
Natürlich war das ungefähr zweieinhalb Meter hohe Wesen nicht irgendwer. Und da dachte der langjährige Magdeburger daran, was es in der altehrwürdigen ottonischen Elbestadt ehemals gleich zweimal gegeben hatte: einen Roland. Schließlich hatte Peters auch dem dortigen „Freundeskreis Roland“ angehört und mit dafür gesorgt, dass der im 17. Jahrhundert verschwundene Koloss erneut angefertigt und wieder vor dem Rathaus aufgestellt wurde.
Sollte es denn hier in der Wische auch eine derartige entschwundene Statue gegeben haben? Die Recherchen dazu sagten eindeutig nein. Eines Tages aber ging es in einem Gespräch mit dem damaligen Lenzener Amtsdirektor Axel Wilser um dieses Thema. Und da kam eine Überraschung: „Natürlich hat es hier einen Roland gegeben, und zwar im rund 30 Kilometer entfernten Cumlosen, wo ich wohne“, hatte dazu der Amtsleiter berichtet.
Eine Sage erzählt davon, dass die Cumlosener einst sehr stolz darauf waren, einen Roland zu besitzen, der nahe der Elbe stand. Der Fluss war auch Nahrungserwerb für die ehrenhaften Dörfler, die sich dem Fischfang widmeten. Dazu zogen die Cumlosener Frauen täglich zum Markt in Perleberg, um den Fang zu verkaufen. Doch der Weg in die Stadt war lang und beschwerlich, und für den Heimweg bedurften die braven Frauen einer Stärkung. So wurde jeden Tag bei einem Wirt eingekehrt und der Erlös vertrunken. Und das reichte bald nicht mehr aus – so ließ man beim Wirt anschreiben. Doch irgendwann waren die Schulden zu hoch und der Wirt wandte sich an einen Perleberger Ratsherren. Der beschloss nun, das Darlehen eintreiben zu lassen, und so gelangte eine städtische Abordnung nach Cumlosen. Doch Geld oder Wertsachen gab es dort nicht. Daraufhin entschieden die Senatoren, zu pfänden, doch das Einzige, was es im Dorf zu pfänden gab, war eben der Roland. So gelangte der Koloss – der noch heute viele Rätsel aufgibt – nach Perleberg.
Sollte aber nicht doch die hölzerne Dame aus Besandten der „richtige“ Roland, der in Wirklichkeit eine Rolandine ist, sein? Naheliegend wäre es ja: Vielleicht ist ja das gute Stück bei einem der zahlreichen Überschwemmungen vom Wasser abgerissen und bis hin nach Mödlich geschwemmt worden, wo sich die Dame dann wie eine Wassernymphe in einem uralten Baum versteckte, der dann später zum Hausbau verwendet worden ist.
Nunmehr hütet die gewichtige Rolandine noch immer das Peters‘sche Anwesen in Besandten, doch ihr „Finder“ möchte – zumindest leihweise – das unikate Wesen dem Cumlosener Verein, der sich ausgerechnet auch noch „Rolandswurt“ nennt, für eine Ausstellung zur Verfügung stellen. „Denn was ist eine Rolandswurt ohne Roland?“