Sommerliche Musiktage Hitzacker vom 30. Juli bis zum 7. August
lk Hitzacker. In einer Online-Pressekonferenz und in Anwesenheit des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler, gab Intendant Prof. Oliver Wille Mitte Februar das Programm der 77. Sommerlichen Musiktage Hitzacker bekannt. Nach zwei Jahren Pandemie, in denen Kategorien wie diese neue Aufmerksamkeit und Bedeutung erfuhren, widmet sich das Festival vom 30. Juli bis 7. August erfinderisch dem Motto „Zeit.Räume“.
International gefeierte Künstlerinnen und Künstler wie Viviane Hagner, Kim Kashkashian, Ian Bostridge, Harriet Krijgh (erstmals in Hitzacker), Ania Vegry, Pierre-Laurent Aimard, das Quatuor Diotima, die Camerata Bern, Baiba und Lauma Skride und viele andere sind in Hitzacker zu erleben, ebenso – auch das gehört zur DNA des Festivals – besonders talentierte Nachwuchsmusiker wie der Geiger Javier Comesaña Barrera.
„In Zeiten, in denen sich das Kulturleben neu aufstellt – ja aufstellen muss, sich hinterfragt und den viel zitierten Neustart probt, fühlen wir uns ganz beheimatet: Unser Festival ist darin geübt, seit jeher ein Ort des Aufbruchs und der Erfindung zu sein“, so Wille. So wird die Eröffnungsproduktion „Kokon“ mit Bas Böttcher (Slam-Poetry), Yui Kawaguchi und Ruben Reniers (Tanz), Johannes Fischer (Schlagzeug, Komposition) und dem Kuss Quartett Wortkunst, Performance, Musik und Imagination zusammenbringen – Zeitläufe verschmelzen und nicht nur die zentrale Bühne ist dabei Ort des Geschehens.
Pierre-Laurent Aimard – einer der wichtigsten Pianisten unserer Zeit – setzt gemeinsam mit dem Kuss Quartett die Musik Elliott Carters, die besonders raffiniert Zeit und Raum durch rhythmisch-metrische Verschiebungen aufhebt, zu Mozart in Beziehung. Die Sopranistin Ania Vegry führt Poulencs Monodrama „Die menschliche Stimme“ auf, eine ergreifende Oper über äußere und innere Distanz. Und, wie um aus Zeit und Raum herauszutreten, erklingt Musik von Frederic Mompou in einem Sonnenaufgangskonzert.
Auch 2022 wird es mehrere Uraufführungen geben, darunter ein Werk des Komponisten Mark Andre. Hinzu kommt die Erstaufführung eines außergewöhnlichen Gemeinschaftswerkes von Enno Poppe und Rebecca Saunders. Auf „Zeit.Raum“-Entfernung wird in ihm das Schaffen des jeweils anderen kommentiert und in Kombination mit Kammermusik-Klassikern etwa von Mozart, Schumann und Brahms zur Diskussion gestellt. In der Not des ersten Pandemiejahres erdacht, wird die Konzertbühne auch 2022 inmitten des Publikums zu finden sein – klanglich, räumlich und atmosphärisch ein vielbesprochener Gewinn. Damals rückte die Bühne in die Mitte des Konzertsaales im Verdo. Diese Umplatzierung fiel zusammen mit einer neuen, von großen Abständen geprägten Anordnung der Bestuhlung: Zweiergruppen, die jedem Gast neue Hörräume, Hörinseln, öffnete, und einer generellen Entschleunigung. Daraus resultierte eine eindringliche Erfahrung eines anderen Hörens. Ähnlich, wenn auch weniger intensiv, war die Veränderung des Hörens bei mehreren, zunächst pandemischen Zwängen geschuldeten Open-Air-Konzerten. Flucht aus dem Hamsterrad 2022 ist daraus ein Festivalthema geworden: „Zeit. Räume“. Denn, auch das hat die „Auszeit“ der Pandemie deutlich gemacht, es geht nicht nur um die Orte der Musik, sondern auch um die Zeiträume für sie: „In welcher ,Auszeit‘ müsste Kultur wieder möglich sein und in welchen Räumen?“, heißt es in einem Statement. So stellen die Sommerlichen Musiktage in diesem Jahr eine grundsätzliche Frage, die sich aus der von der „Corona-Pandemie erzwungenen Stille“, der „räumlichen Begrenztheit und einer Zeit, die stehenzubleiben schien“, ergeben haben. „Alles Bisherige stand zur Disposition.“ Dem habe eine „hektische Geschäftigkeit“ gegenüber gestanden, „da das Festival trotz allem unbedingt stattfinden sollte“.