Von Katzenmumien, Dachsen und Bleikristall

Viel los auf dem letzten Flohmarkt des Jahres in Gartow

bv Gartow. Ja, die Zeiten sind nicht rosig. Wenn aber die schiere Besucherzahl eines Flohmarktes als Indikator für die wirtschaftliche Notlage eines Landes gelten würde, dann wären die Zeiten aktuell sogar sehr schlecht – betrachtet man die Menge an Besuchern, die am Sonntag den Flohmarkt des Jahres in Gartow durchstöberten. Aber es wird nicht nur die Geldknappheit sein, folgerte etwa Karen Hardorp, die mit ihrer Tochter die Stände entlang schlenderte: „Das Wetter ist toll, wir wollten einfach mal raus, es ist Sonntag, und es ist der letzte Flohmarkt des Jahres in Gartow.“

Mutter und Tochter schlenderten übrigens ohne Kaufabsichten: Einfach mal gucken.

Echte Flohmarkt-Profis sind Olaf Gramkow aus Hitzacker und Jan Hildebrandt aus Dannenberg. Sie suchen nicht, sie finden. „Und ich bin ich froh, wenn ich nichts finde“, lacht Hildebrand. Dann brauch ich nichts kaufen. Ich hab schon soviel Mist“. Doch, er habe eine Wildschweinknacker gekauft – lecker. Wir treffen die beiden am Stand von Mike Kehler und Günther Hilbeck. Hilbeck ist Profi, macht Haushaltsauflösungen, kennt den Markt und die Preise. Frage: was geht denn momentan? „Alles im Bereich von 5 bis 20 Euro, mehr wollen die Leute nicht ausgeben.“ Er stelle auch viel bei ebay ein, aber dort sei die Lage momentan ähnlich, berichtet Hilbeck. „Was nur selten geht, sind Elektroartikel und Schallplatten. Bücher verkaufen sich überhaupt nicht mehr.“

Frage an die Händler: Löst ebay denn den guten alten Flohmarkt ab? „Nein“, erklärt Kehler, denn wer eine gute Story zu seinem Stück erzählen könne, der könne am Ende auch mehr Geld verlangen. „Die Leute kaufen auch Geschichten.“ Apropos: Jan Hildebrand hat, als er sich ein altes Haus kaufte, eine Katzenmumie mit erworben, erzählt er. Wendländischer Aberglaube: Ein solches Tier soll, im Dachstuhl angebracht, bösen Zauber abhalten. Er hatte überlegt, das Tier online zum Kauf anzubieten. Nach einer kleinen Recherche hat er schnell wieder Abstand davon genommen. „Eine Katzenmumie stand bei ebay drin, für 1600 Euro, aber der Verkäufer hat einen mächtigen Shitstorm kassiert. Das sei pietätlos, war noch das harmloseste.“ Mike Kehler hat einen ausgestopften Dachs dabei, der online früher bis zu 100 Euro gebracht hätte – „das geht heute gar nicht mehr“, ergänzt er. Ebay möchte keinen Verkauf von Trophäen – warum auch immer.

Am Nachbarstand erkundigt sich eine Frau nach einem gewaltigen Cognac-Schwenker aus Bleikristall. „Ja, der stammt aus der DDR“, erklärt der Verkäufer. Er kenne sogar den Mann, der ihn hergestellt habe. „Die haben damals 80 Mark Ost gekostet“. Bei echtem Bleikristall sei die Optik und das Gewicht entscheidend. Die Lichtbrechung erzeuge Glanz an jeder Stelle des Glases.

Eine Besucherin, die eine Lampe gekauft und Topinambur geschenkt bekommen hat, erzählt, dass es sie doch erschüttert habe, mit wie wenig Ware einige private Händler aufkreuzten. „Das sieht schon nach Verzweiflung aus, wenn so jemand sich hier trotzdem hinstellt.“

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