Von vermeintlicher Freiheit

„Ton und Kirschen“ präsentierte „Open Door“

kek Lenzen. Am Freitagabend vor einer Woche war in Lenzen regelrecht der Himmel heruntergekommen – daher fiel die dort geplante Vorstellung der Kult-Theatertruppe „Ton und Kirschen“ regelrecht ins Wasser. Doch vier Lenzener und zwei Cumlosener zog es am Sonnabend nach Putlitz, wo nahezu 50 Gäste erschienen waren, um dem Wetter zu trotzen. „Offene Türen“ sollte es geben, und zwar inspiriert von Passagen aus den Werken Shakespeares, Kafkas, Roths, Rilkes und anderen – bis hin zu dem Märchen „Ritter Blaubart“ von Charles Perrault. Und Türen waren aufgebaut: ein mächtiges zweiflügeliges Portal und eine kleine Pforte, durch die hindurchgegangen wurde, die geschlossen waren und auch einmal umgekippt – als Sinnbild für Recht und Ordnung umwerfende Kriege.

Doch zuerst gab es eine Verhaftung – frei nach Kafka. Warum er verhaftet worden sei, wo er doch gar nichts getan hätte, möchte der junge Mann wissen. „Sie sind von der Schuld angezogen worden – das ist das Gesetz!“ gab es als lapidare Antwort. Darauf der Delinquent zu seinen Wärtern: „Ihre Sicherheit ist nur durch ihre Dummheit möglich“. Wozu das führt, sang als bald David Johnston im Hintergrund in seinem selbst getexteten Lied: „And the war keeps going on“.

Und dazu ein gefangenes Tier, welches nur noch mit trüben Augen um sich blicken kann. Und die Marionette, die von vier Menschen geführt wird. Oder ist es etwa die Puppe, die die Menschenmassen leitet: erst in leichtsinnige Vergnügen und dann ins Verderben? Denn die Tür, an der gefeiert wird, verwandelt sich blitzschnell in ein Grab. Und nun gibt es Trauer statt Feierlaune, und die Blumen an der Seite werden zum Totenkranz.

Doch „Ton und Kirschen“ verstehen sich auch auf Balance: Eine lustige Pulcinella-Szene muntert die Zuschauer auf, und auch ein Klassiker wird regelrecht aus der Kiste geholt. In einem „impossiblen“ Akt steht da eine Zauberkiste, in die ein junger Mann gefesselt hineingedrückt wird. Und was passiert hinter dem Vorhang? Natürlich steigt ein ganz anderer junger Mann aus dem wieder aufgeschlossenen Zauber­apparat.

Bezaubernd schön sind auch die drei Puppen, die die Geschichte von der verschlossenen Tür des Ritters Blaubart, die auf keinen Fall geöffnet werden darf, erzählen. Hier kommt endlich die Gerechtigkeit zum Zuge: Die Braut, die das Türchen heimlich öffnete und Schreckliches erblickte, sollte von dem adligen Frauenmörder erstochen werden, doch im letzten Moment eilte ihr schwertbewaffneter Bruder zur Hilfe.

Die letzte Szene erzählt von einem Mann, der Eintritt in einen Raum haben möchte, doch vom Aufpasser gibt es ein kategorisches „Nein“. Der Aufseher ist das Gesetz selbst, vor dem eine Marionette untätig ihr ganzes Leben verbringt. „Und warum hat kein anderer als ich Einlass verlangt?“ fragt die ergraute Puppe am Ende ihres Lebens. „Weil das verschlossene Tor nur für dich gemacht worden ist!“, antwortet der Aufpasser höhnisch. Und nun kommt nur noch – die Dunkelheit.

Eine Wendländerin hatte das Stück dennoch gesehen. Eine pensionierte Lehrerin aus Clenze war extra zur Uraufführung nach Glindow bei Potsdam gefahren und hatte dort Fotos geschossen, die sie im regnerischen Lenzen der Theaterchefin, Margarethe Biereye, überreichte. Denn die „Open Door“ war nicht irgendetwas. Es war die Jubiläumsaufführung.

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