Ehepaar Beinert ist ungewöhnlich unterwegs
kek Lütkenwisch. Ein Gefährt steht an der Lütkenwischer Fährstelle; es ist gerade erst glücklich mit der Fähre gelandet. Dort gibt es für ein bis zwei Tage eine Verschnaufpause, denn es gibt mal wieder etwas zu sehen und zu erleben. Das Fragment eines Grenzzaunes etwa, der dort nie gestanden hat, aber an die vielen DDR-Flüchtlinge, die es nicht geschafft haben, erinnert. Und dann gibt es ja in der Nähe noch ein Café, wo man unbedingt einkehren muss, um die herrliche Sicht auf die Elbe zu genießen. Und ein Buch über das kleine Lütkenwisch, welches es fast nicht geschafft hat, die DDR-Zeit zu überstehen, gibt es auch, samt kurzer Lesung der Verfasserin. Diejenigen, die sich so viel vorgenommen haben, sind Ingeborg und Rolf Beinert aus Lahr.
Im Frühjahr ist das pensionierte Ehepaar zu einer Reise durch Deutschland aufgebrochen, um 365 Tage unterwegs zu sein. Das ist eigentlich nichts Besonderes. Aber es ist kein normales Wohnmobil, womit die beiden Schwarzwälder unterwegs sind. Ein umgebauter ehemaliger Zirkusoberlichtwagen ist es, in dem es sich die beiden Reiselustigen bequem gemacht haben und in dem man – so klein er auch ist – nichts vermisst. Sogar eine ordentliche Heizung gibt es, wie der Schornstein am Wagen verrät, und der kleine mit Holz befeuerte „Kanonenofen“ verbreitet bullige Wärme. Gezogen wird das Gefährt von einem tadellos in Schuss gehaltenen Hanomag R 45 aus dem Jahr 1953. Eile mit Weile heißt da die Devise – und so können die Beinerts ihre Deutschland-Reise ganz anders wahrnehmen als andere, bei denen die Schnelligkeit im Vordergrund steht. Es gilt: Der Weg ist das Ziel. „In den vergangenen Tagen sind wir nun durchs Wendland gefahren und haben interessante Leute kennengelernt und dabei natürlich ebenfalls Interessantes erlebt“, berichtet Ingeborg Beinert. Dazu gehörte zum Beispiel, dass die beiden Langzeit-Reisenden bei der Lebensgemeinschaft Mützen 7 bei Clenze für einige Tage stehen durften. „Da gibt es eine Nähgruppe, und da habe ich bei der Gewandmeisterin Christine Blug kurzerhand aus altem Wendland-Leinen ein Hemd für meinen Mann zusammengenäht. Das hat richtig Spaß gemacht“, freut sich Ingeborg Beinert. Das gute Stück wurde anschließend in einem angenehmen Blau eingefärbt. Und natürlich passt das Erinnerungsstück aus dem Wendland wie angegossen, denn Rolf Beinert hat sich in der Zwischenzeit umgezogen. „Das wird mein Markenzeichen!“ Und dann gab es noch einen kleinen Stopp bei Günter Steinbiß in Schnackenburg. Der gebürtige Lenzener erzählte den beiden Beinerts die Geschichte seiner abenteuerlichen – und vor allem geglückten – Flucht aus der DDR im Jahre 1953. Doch nun geht es weiter und bis kommenden Mai wollen die beiden Jahresausflügler wieder zu Hause sein. Und bis dahin lassen sie alle Verwandten, Freunde sowie alte und auf dieser Reise neu hinzugekommenen Bekannten und selbstverständlich auch die vielen neugierig Interessierten an dieser ungewöhnlichen Fahrt teilhaben. Unter dem Stichpunkt Beinertswagen kann die Reise bei Youtube, auf Instagram und Facebook verfolgt werden.
Der Verlauf der Reise ist nicht etwa genauestens vorher ausgetüftelt und geplant worden. „Das entscheiden wir morgens immer spontan“, so Ingeborg Beinert. Aber das ist noch nicht alles. Durch die unvermittelten Bekanntschaften „erhalten wir dann Tipps, einmal dort und dort und bei diesen und jenen Leuten vorbeizuschauen“.
Diese sowohl an Spontanität als auch an „Zufallsbekanntschaften“ wie auch an einzigartigen Erinnerungsstücken wohl nicht zu überbietende Reise hat vielleicht noch einen Trumpf in petto: es in das Guinness-Buch der Rekorde zu schaffen – und zwar als eines der krassesten Abenteuer.