Serie Mietrecht: eigene Interessen wahrnehmen
bsc Hitzacker. In ihrem heutigen Fall für unsere Serie Mietrecht aktuell beschäftigt sich Fachanwältin Barbara Schneeberg aus Hitzacker mit folgendem Thema: Vor einer Anmietung sollte man unbedingt die Wohnung besichtigen.
Der Fall: Die Parteien schlossen einen Mietvertrag über eine möblierte Eigentumswohnung und vereinbarten einen wechselseitigen Kündigungsverzicht für ein Jahr. Der Mieter besichtigte die Wohnung vor Vertragsschluss nicht. Bereits nach kurzer Mietzeit rügte der Mieter Mängel bezüglich Wohnung und Mobiliar, minderte die monatliche Miete und erklärte die Anfechtung des Mietvertrages gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung. Außerdem sprach er die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus. Der Vermieter klagte auf die volle Miete.
Die Entscheidung: Das Landgericht Lübeck verurteilte den Mieter in seinem Urteil vom 7. Juli 2022 zur Zahlung der geltend gemachten Miete und stellte die Beendigung des Mietverhältnisses erst durch eine ordentliche Kündigung mit Wirksamkeit nach Ende des Kündigungsverzichts fest. Das Gericht war der Auffassung, dass eine arglistige Täuschung, nämlich eine Täuschung durch Unterlassen, nicht gegeben sei, da keine Aufklärungspflicht des Vermieters hinsichtlich der Mängel bestanden habe. Es bestehe keine allgemeine Pflicht des Vermieters, ungünstige Eigenschaften des Objekts ungefragt offen zu legen. Es sei grundsätzlich Sache jeder Partei selbst, die eigenen Interessen wahrzunehmen. Die vom Mieter gerügten Mängel seien offensichtlich gewesen und hätten bei einer Wohnungsbesichtigung – die ihm angeboten worden sei, die er aber nicht durchgeführt habe – erkannt werden können. Aufgrund der nicht durchgeführten Besichtigung sei davon auszugehen, so das Gericht, dass der Mieter dem konkreten Zustand der Wohnung keine allzu große Bedeutung beigemessen habe. Jemand, der aber kein Interesse zeige, könne auch nicht getäuscht werden. Auch eine aktive Täuschungshandlung vermochte das Gericht nicht zu erkennen. Allein die günstige Präsentation auf einem Foto im Inserat sei dafür ungeeignet, da diese Abbildung nur dazu diene, einen ersten Eindruck von der Wohnung und ihrer Aufteilung zu geben. Ein Minderungsrecht des Mieters bestünde daher nicht, weil der Mieter die Wohnung nicht besichtigt habe. Dem Mieter sei daher grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der geltend gemachten Mängel zu unterstellen. Das Gericht war der Auffassung, dass diese grob fahrlässige Unkenntnis des Mieters vorliege, denn wenn dasjenige unbeachtet gelassen werde, was jedem hätte einleuchten müssen oder bei einer Besichtigung ohne Weiteres auffalle, so liege grob fahrlässige Unkenntnis des Mieters vor. Aus diesen Gründen ging auch die fristlose Kündigung des Mieters ins Leere.
Hinweis: Der Fall zeigt wieder einmal, wie wichtig die genaue Wohnungsbesichtigung durch den Mieter ist. Auch wenn es sicher die Ausnahme sein wird, dass Wohnungen praktisch ungesehen gemietet werden, zeigt sich in der Praxis doch sehr oft, dass Mieter in der Freude über die neue Wohnung bewusst oder unbewusst über negative Wohnwertmerkmale hinwegsehen und nachträglich versuchen, über Mängelrügen zu einer Mietminderung zu kommen. Dies ist allerdings bei bereits bei Vertragsschluss bestehenden Mängeln zum Scheitern verurteilt, wenn die Wohnung zuvor ausdrücklich oder stillschweigend als vertragsgemäß akzeptiert wurde.
Die Serie wird fortgesetzt.