Gut besuchte Vorstellungen im Wendland: Zirkus Renz war da
bv Lüchow. „Ihr seid Zigeuner. Und ihr seid Tierquäler.“ Das seien die beiden Vorurteile, die sie früher oft zu hören bekamen, berichtet Tamara Renz. Die 54-Jährige sitzt am Tisch ihres Speisewagens, umringt von ihrer Familie. Alle essen Nudeln, Salat, Leberkäse. Die Jüngste in der Runde ist ihre fünfjährige Enkelin Helene – der heimliche Star des Zirkus Renz. In siebter Generation ist die Familie mit ihrem Zirkuszelt unterwegs. Bis Montag hatten sie Station in Lüchow gemacht, davor in Dannenberg. Nun sie sie wieder „on the road“, unterwegs zum nächsten Spielort.
Die Aufgabenverteilung in der zehnköpfigen Familie ist eher traditionell. Die Frauen schmeißen den Haushalt. Sie kümmern sich um die Wohnwägen, das Gemütliche. Die Männer, allen voran Sascha Hermann Renz und Schwiegersohn Giorginio Traber, machen die schweren Arbeiten. Wirklich schwer. Die Frauen helfen trotzdem. „Ich kann doch meinen Männern nicht zusehen“, meint Renz. „Wobei mir das alles vor 20 Jahren sehr viel leichter von der Hand ging“. Ihr Job: Managerin eines kleinen Unternehmens. Sie kümmert sich um alles. Die Plätze anmieten, die Genehmigungen einholen, die Tierärzte organisieren, die Schulen anschreiben, die Werbung planen. Und dann immer schon an die nächsten Auftritte denken. Alles nur mit einem Smartphone.
Der Zirkus hatte sein Lager auf dem Lüchower Lietzmann-Platz aufgeschlagen. In der Woche davor gab es Vorstellungen in Dannenberg, die erste seit Jahren. Am Freitag: 20 Besucher, „wir haben trotzdem gespielt“. Sonnabend: schon besser. Und Sonntag: ausverkauft. „Die Leute haben gejubelt. Da ging uns das Herz auf“, sagt Tamara Renz strahlend.
Ähnlich war es beim Gastspiel in Lüchow: Die sonntägliche Vorstellung war ebenfalls ausverkauft. Beeindruckt von der Vorstellung war Aylina Krahn aus Lüchow, ebenso Tochter Jarla (5) und Sohn Maxim (11) – alle waren begeistert. „Die Kleinen hatten Spaß, wir auch“, berichtet Krahn. „Die Feuershow war cool, die Kamele sehr beeindruckend. Die Clowns waren echt lustig. Auch die Westernshow: sehenswert. Die haben viel Programm geboten.“ Besonders beeindruckt war Aylina Krahn davon, in wie viele Rollen die Zirkusleute schlüpfen, und in welchem Tempo. „Eine grillt die Würstchen in der Pause, zwei Minuten später beginnt der Auftritt. Alles auf den Punkt“.
Direkt danach wird das Zelt abgebaut, „bis zum letzten Eisen“, und alles verstaut – bei jedem Wetter. Auch, wenn der Schneeregen alles durchnässt und der Wind pfeift.
Als Zirkusmensch darf man nicht zartbesaitet sein. „Aber als es hieß, wir sind Zigeuner und Tierquäler, da hat mein Sohn in der Lüchower Grundschule doch mal die Geduld verloren“, erinnert sich Renz. Die schulpflichtigen Kinder ziehen von Schule zu Schule, wenn der Zirkus unterwegs ist. Hier eine Woche, dort eine Woche. Nicht immer leicht, für alle Beteiligten.
Jeden Montag zieht der Tross weiter. Wurzeln schlagen ist nicht drin. Immer dabei: zwei Kamele und drei pechschwarze friesische Kaltblüter. Und das Shetland-Pony. Früher wie heute haben sie immer gut achtgegeben auf ihre Tiere. „Das ist ja unser Kapital. Wir können uns gar nicht leisten, die nicht gut zu behandeln.“ Im Tierbestandsbuch wird genau aufgelistet, wie es welchem Tier geht. Das Veterinäramt prüft einmal im Monat, wie die Tiere gehalten werden. Wenn das Wetter passt, stehen sie im großen Außengehege. Bei Wind und Wetter haben sie ihr eigenes großes Zelt.
Alle zwei Jahre kommt Zirkus Renz ins Wendland. Seit über 30 Jahren gibt er im Kreisgebiet Gastspiele. „Wir mögen es hier, die Leute sind freundlich, die Ämter kooperativ“, freut sich Renz. Das sei nicht überall so. Vor allem, weil die Konkurrenz drängt, „und es gibt ja auch schwarze Schafe“. In Deutschland gibt es über 350 kleine Familien-Zirkusse. Und alle müssen auftreten, um den Laden am Laufen zu halten. Deswegen kommt Familie Renz auch nur alle zwei Jahre ins Wendland – damit es spannend bleibt für die Zuschauer.