Apfeljahr: „Das war nix“

Pomologe Stolberg blickt zurück auf 2023

bv Neu Darchau. „Apfeljahr 2023: Das war überhaupt nix.“ So knackig wie das lakonische Fazit des Pomologen Hermann Stolberg aus Neu Darchau waren die Äpfel dieses Jahr offenbar nicht. „2022 war ein Masseträgerjahr. Ein Jahr, in dem sogar große Leitäste unter der Last abgebrochen sind. Aber dieses Jahr waren die Bäume fast völlig leer, waren nahezu komplett früchtefrei. Wir hatten wirklich Mühe, fünf, sechs Äpfel vom Baum zu kriegen. Selbst die Gravensteiner oder sogar der ertragreiche Boskop: Da hing nichts dran. An einigen immerhin hingen die zu kleinen Früchte rispenartig herunter.“

Und leider sei auch ziemlich viel Bruch zu beklagen. „Ich bekomme regelmäßig Anrufe wie diesen: ,Kannst du meinen Boskop retten? Der ist abgebrochen‘.“ Bereits 50 bis 60 Jahre alte Bäume seien durch die sich ändernden klimatischen Einflüsse, wie die Trockenheit, stark belastet. Eine ausreichende Erklärung sei das alleine noch nicht. „Vergangenes Jahr war bekanntlich viel trockener, aber eventuell gab es mehr bestäubende Insekten, denn es gab weniger Nachtfröste im Frühjahr“, mutmaßt Stolberg. Zudem gebe es einen natürlichen Rhythmus der Bäume, bei dem sich gute mit schlechteren Jahren abwechselten. In diesem Jahr kamen niedrige Temperaturen und zu viel Nässe dazu – und der immer weiter zunehmende Klimastress. Viele regnerische und kühle Tage während der Blüte hätten wohl dazu geführt, dass zahlreiche Sorten schlecht bestäubt wurden. Zuwenig Sonne und zuviel Regen hätten ebenfalls dazu geführt, dass im Frühsommer viele Blüten abgefallen seien. Der viele Regen habe den Bäumen im Sommer zwar genützt, sei aber auf andere Art problematisch, da anfällige Sorten stark von Pilzen, wie dem Schwarzen Rindenbrand, befallen werden.

Stolberg hat geholfen, im Amt Neuhaus 6 000 historische Apfelbäume zu erfassen, zu sanieren und zu ergänzen. Diese einzigartige Vielfalt alter Sorten zu hüten, ist Ziel des Projekts „Obstbaumalleen“ der Biosphärenreservatsverwaltung. Allerdings gerate das Projekt ins Stocken, wie der Pomologe kritisiert. „Momentan interessiert das niemanden mehr“, so Stolberg, da eine wirtschaftliche Nutzung – Direktvermarktung – nicht mehr interessant sei. Außerdem stehe im Amt Neuhaus „noch keine Streuobstwiese unter Biotopschutz. Das verantworten Verwaltungsbeamte aus dem Westen“, merkt Stolberg an. „Wir sehen stattdessen immer mehr Relikt-Streuobstwiesen, die von Jahr zu Jahr verwildern. Und so eine Streuobstwiese nach Jahren der Untätigkeit wieder aufzubauen, kostet sehr viel Geld.“

Das einzige Mittel dagegen, so Stolberg: „Beharrlich sein, Bürgerinitiativen gründen.“ Ein Beispiel: „Wenn man Richtung Lenzen/Elbe hochfährt, steht da eine mustergültige Streuobstwiese. Da stehen der Brasilapfel und andere Raritäten drauf.“ Aber durch die jahrelange Trockenheit seien fast alle Bäume vorgeschädigt. „Dann kommt der Schwarze Rindenbrand und zieht seine Spur nach unten. In die lockere Rinde schlüpfen sofort die Brandkäfer und verrichten ganze Arbeit. Und auch, wenn eine zusätzliche Bewässerung im Streuobstbereich unrealistisch erscheint, ist Wasser künftig das A und O“, betont Stolberg.

In Streetz hat Stolberg vor Kurzem das Wendländische Seidenhemdchen entdeckt. „Die alten Bauern kennen das noch. Teilweise haben sie den Drüfken-Apfel und das Seidenhemdchen an einem Baum gehabt“, berichtet Stolberg. Drüfken-Apfel? „Das ist der Kleine Herrenapfel, heute nur noch vereinzelt in Westmecklenburg zu finden. Die Bauern sagten immer: ,Der Drüfken ist für die Menschen, das Seidenhemdchen for de Schwien‘“, lacht Stolberg. An einem kleinen Baum in seinem Garten hat der Pomologe ebenfalls beide Sorten. „Diese Äste hier, die schießen hoch. Das sind Edelreiser, die schneide ich im Winter ab und lege sie kalt. Die treiben dann im kommenden Frühjahr aus.“ Und wieder ist eine Sorte vor dem Aussterben gerettet.

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