„Ich bin sicher: Er war es“

„Aber Beweis fehlt“: Püschel über Göhrde-Morde

bv Salzwedel. Prof. Klaus Püschel ist im Wendland kein Unbekannter. Der ehemalige Leiter der Hamburger Rechtsmedizin ist davon überzeugt, dass Kurt-Werner Wichmann aus Brietlingen „der größte deutsche Serienmörder des 20. Jahrhunderts ist“ – und auch verantwortlich für die Göhrde-Morde. „Aber es gibt keinen Beweis.“

Der Reihe nach: Püschel ist auch im Ruhestand sehr aktiv. Nach wie vor ist er weltweit als Forensiker und Gutachter im Einsatz und als Seniorprofessor am Institut für Rechtsmedizin in Eppendorf tätig. Damit nicht genug: Püschel hat als Autor zahlreiche „True Crime“-Bücher verfasst und tourt nach Feierabend durch Deutschland. Seine Vorträge sind gut besucht.

Zur Göhrde hat Püschel jedoch eine ganz besondere Verbindung. Und so verwundert es nicht, dass vergangene Woche zahlreiche Zuhörer aus dem Wendland im ausverkauften Kulturhaus saßen: Sie wollten Püschels „True Crime-Event: Mördern auf der Spur“ hören – und viele hofften auf Neuigkeiten in Sachen Göhrde-Morde.

Etwa Apotheker Andreas Huber aus Groß Heide. Er sei schon lange fasziniert von den unheimlichen Verbrechen. Früher habe er ganz in der Nähe des mutmaßlichen Göhrde-Mörders Kurt-Werner Wichmann gelebt, in Süddeutschland. Das habe er erst herausgefunden, nachdem er ins Wendland gezogen war.

Ebenfalls im Publikum: Dr. Rolf Meyer aus Wustrow. Er wird von Püschel öffentlich begrüßt: Als Co-Autor war der Rechtsmediziner an Meyers Buch „Tod im Wendland“ beteiligt. Gleichwohl sprach Püschel, laut Hamburger Abendblatt „vermutlich Deutschlands berühmtester Forensiker“, nicht nur über die Doppelmorde aus dem Jahr 1989. Er referierte auch über die wichtigsten Fälle seiner langen Karriere – immerhin leitete Püschel fast 30 Jahre lang, bis 2020, das Hamburger Institut für Rechtsmedizin. 1987 obduzierte er die Leiche von Uwe Barschel („es war eindeutig Suizid“). Er war Gutachter im Fall Kachelmann (Püschel fand heraus: Kachelmanns damalige Freundin hatte gelogen, der Meteorologe war unschuldig und wurde freigesprochen), untersuchte den Leichnam des Reemtsma-Entführers. Er war im Kosovo, in Ägypten und in Syrien tätig. In Ruanda half er, ein Mahnmal für den Völkermord von 1994 einzurichten. Und bis vor Kurzem war Püschel als Gutachter im Wiederaufnahmeverfahren des „Badewannen-Mordes“ von München tätig. Spoiler: Püschel hält Manfred Genditzki für unschuldig. Insofern sei er als Gutachter nicht mehr zugelassen, weil befangen. Das neue Urteil wird im Juni erwartet.

In Salzwedel redete Püschel über zwei Stunden – frei, ohne Notizen, alles aus dem Gedächtnis. Und trotz deut­licher Überlänge hing das Publikum an seinen Lippen.

Das Entscheidende für die Region bleibt, dass Klaus Püschel maßgeblich am Auffinden von Birgit Meier beteiligt war – einem Opfer des mutmaßlichen Göhrde-Mörders Kurt-Werner Wichmann, der vor 30 Jahren Selbstmord beging. „Ich bin überzeugt, dass Kurt-Werner Wichmann der Göhrde-Mörder ist. Aber es gibt keinen Beweis“, so Püschel. Erdrückend viele Indizien sprächen dafür. Detailliert berichtete Püschel, wie er gemeinsam mit Wolfgang Sielaff, dem ehemaligen LKA-Chef in Hamburg, die Leiche dessen Schwester, Birgit Meier, in einer Kfz-Grube im Haus von Wichmann in Brietlingen ausgegraben hatte. Nachdem der Schädel anhand eines Ohrsteckers und des Zahnstatus vor Ort iden­tifiziert worden sei, hätten Birgit Meiers Ehemann und ihr Bruder Wolfgang Sielaff – 30 Jahre nach ihrem plötzlichen Verschwinden – „geheult wie die Schlosshunde. Alle sehen gerne Krimis. Aber da sieht man, was so etwas mit den Angehörigen macht.“ Püschel: „Birgit Meiers Tochter hat über 3 500 Gedichte über ihre verschwundene Mutter geschrieben. Und die Polizei hat sich noch nicht beim 30 Jahre lang zu Unrecht verdächtigten Ehemann entschuldigt.“

Püschels Fazit: „Ich bin davon überzeugt, dass Wichmann der schlimmste deutsche Serienmörder des vergangenen Jahrhunderts ist. Vieles spricht dafür: Er hatte die Werkzeuge, er hatte die Mentalität.

Er hat nach meiner Überzeugung Frauen beobachtet, ausgekundschaftet und getötet. Aber es gibt keinen Beweis. Ich bin gespannt, ob es mir noch gelingt, ,Butter bei die Fische‘ zu bekommen. Ich finde, wir sind es den Angehörigen schuldig.“

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