bv Lübeln. Ein Umzug bringt immer die Möglichkeit mit sich, sich materiell zu verschlanken, Ballast abzuwerfen, sein Leben neu zu sortieren. Aber er beinhaltet auch den Zwang, sich zu trennen, auch von Liebgewordenem. Gisa Naumann-Namba, die Betreiberin des Papiertheaters Tschaya, hat ihr Elternhaus in der Kreisstadt verkauft und hat eine Wohnung in einem Rundling, in einer Hofgemeinschaft bei Freunden gefunden. Eine hübsche Wohnung, aber sie muss sich verkleinern.
Einerseits sei sie sehr flexibel, so etwas wie Wurzeln habe sie nicht. Dafür hat die „Botschafterin zwischen Ost und West“, wie sie sich bezeichnet, zu lange in Fernost gelebt. „Mein Herz hängt nicht an einem Ort, ich lebe immer noch mit einem Bein drüben. Mein Herz ist dort geblieben“, verrät Naumann-Namba, die den Großteil ihres Lebens in Japan, China und Südkorea verbracht hat. Sie spricht chinesisch und japanisch, kann Letzteres sogar lesen und schreiben.
Als kulturelles Bindeglied zwischen Ost und West versteht sich ihr Papiertheater, auf dem sie Märchen aus aller Welt spielt. Seit ihrer Rückkehr aus Japan beschäftigt sich die gebürtige Wendländerin mit Volksmärchen aus aller Welt. Seitdem sieht sie es als ihre Aufgabe an, Märchen durch Erzählen wieder lebendig werden zu lassen, in einer Sprache, die schon in Spinnstuben, Teehäusern, Beduinenzelten, an Lagerfeuern und in Karawansereien Bilder entstehen ließ. Naumann-Namba führt ein in die bunte Welt des Orients, bringt den Zuschauenden die Weisheit des Ostens näher, gibt Raum für Fantasie und Gefühl.
„Auch in der modernen Gesellschaft hat das Märchen seinen Platz behalten, um Lebensweisheit, Hoffnung und Kraft zu vermitteln“, meint Naumann-Namba. Deswegen möchte sie ihre beachtliche Sammlung von internationalen Märchenbüchern am liebsten im Paket abgeben. Sie umfasst rund 750 Bände, füllt mehrere Bücherregale. Gerne würde sie diesen Schatz in Kennerhände weiterreichen. „Wer jemanden kennt, der vielleicht jemanden kennt, der Interesse hat“, schmunzelt die diplomierte Märchenerzählerin, „der darf sich bei mir melden“. Sie hatte das Konvolut schon dem Deutschen Märchenmuseum in Bad Oeynhausen angeboten, die aber hätten abgewunken.
Auch muss sich die Bühnenbegeisterte Gedanken um die Zukunft ihres weit über die Kreisgrenzen bekannten Theaters machen. Sie sucht für ihr Theater en miniature eine neue Spielstätte. Ideal wäre ein geheizter Raum für bis zu 18 Plätze im Wendland. Bis dieser gefunden ist, kann sie mit ihrem „Reisetheater“ künftig auf Tour gehen. Gebucht wird sie von Kindergärten, aber auch von Seniorenheimen.
Für die, die es nicht kennen: Ein Papiertheater ist eine kleine Bühne aus Papier, auf der die technische Vielfalt einer Theaterbühne modellmäßig nachgeahmt wird. Wie beim großen Vorbild hat das Papiertheater ein „Proszenium“, ein Bühnenportal, und einen prächtig gestalteten Vorhang. Die Figuren werden von der Seite geführt; auf Spielstäben oder in den Boden eingefrästen Nuten. Dabei werden die Figuren durch die Kulissengassen geschoben. Dieses Moment der Bewegung macht die Stücke so faszinierend. Raffinierte Beleuchtung und ein fein abgestuftes Bühnenbild lässt den Eindruck großer Tiefe entstehen. Die Ruhe, mit der das Geschehen umgesetzt wird, ist für viele Kinder eine ganz neue Erfahrung, berichtet Naumann-Namba. Es gibt keine schnellen Schnittfolgen, wie die Kinder es von Smartphones oder Tablets gewöhnt sind. Kindgerecht aufbereitete Stücke wie „Peter und der Wolf“ oder „Kalif Storch“ werden in einer halben Stunde erzählt.