Viele Geister im Wendland

Undine Stiwich legt neuen Band mit Sagen vor

bv Lüchow. Der freundliche Einband ­– zu sehen sind eine gezeichnete fliegende Hexe, eine Katze, der Lüchower Amtsturm, ein Rundling, eine wendländische Hochzeitsgesellschaft und eine Leichenkutsche – weist deutlich auf den Inhalt hin: Es geht um „Sagen und Geschichten aus dem Wendland“, so der Titel des jüngst erschienenen Buches. Das Bändchen im „Handyformat“ verkaufe sich gut, berichtet Autorin Undine Stiwich stolz. Erneut hat sie ein Buch mit Sagen und Geschichten aus dem Wendland vorgelegt. Kiebitz fragt nach: Es gibt doch bereits zwei wendländische Sagen- und Brauchtumsbücher von Ihnen, Frau Stiwich?

„Der Verleger Kai Falkenberg aus Bremen hatte mich angerufen. Er gibt kleine Bücher heraus, mit Sagen aus ganz Deutschland. Nun sollte auch eines aus dem Wendland erscheinen. Ich fragte bei Dr. Hanno Saade nach, dem Chef des Köhring-Verlages, da meine anderen Bücher dort erschienen sind. Herr Saade hatte nichts dagegen, es durften sogar zwei Sagen nachgedruckt werden. Den Rest habe ich neu erzählt.“

Frage: Wie kam es ursprünglich dazu? „Unser Opa saß im Winter gerne am Kachelofen, zog an seiner Pfeife und brummte ,jojo …‘. Das war unser Signal: Es geht los. Er war gar nicht unser richtiger Opa, er war der Lebensgefährte von Oma, aber gehörte zur Familie. Und er kannte jede Menge gruseliger Geschichten – so ganz nach unserem Geschmack“, erinnert sich Stiwich. „In der kleinen Stube roch es nach Pfeifentabak und Bratäpfeln. Eine Petroleumlampe beleuchtete die Szenerie so schummerig, dass genau die richtige Stimmung entstand. Und da ich schon vor der Schule schreiben konnte, allerdings ganz eigen, begann ich, die Geschichten von Opa aufzuschreiben. Ich habe sie über all die Jahre gesammelt. Und so kam ich zu meinem Fundus.“

Ein überaus wertvoller Schatz – Undine Stiwich studierte nach dem Abitur unter anderem Lehramt und Volkskunde, und wurde zur wichtigsten Chronistin der wendländischen Sagen.

„Undine Stiwich ist eine große Erzählerin und Vermittlerin dieser überlieferten Geschichten“, lobt Landrätin Dagmar Schulz in ihrem Vorwort. Jede Region, so Schulz, verfüge über mündlich überlieferte Erzählungen, die über die Vergangenheit berichten. „Sie sollen besondere Ereignisse für die Nachwelt anschaulich erklären. Anders als bei Märchen ist also nicht alles frei erfunden. Um diese Geschichten spannend zu gestalten, werden die Inhalte oft fantastisch, gruselig und über die Realität hinaus dargestellt – wundersame Wesen wirken mit übernatürlichen Kräften. Die Sagen leben von der Übermittlung.“

Oft denkt Undine Stiwich an die zahlreichen Spaziergänge mit den Großeltern durch den Wald zurück, an das Kartoffelauskriegen auf dem Acker oder das Kühetreiben von der Weide nach Hause. „Immer erzählten sie dabei etwas über die guten und bösen Geister. Und schön war es immer, wenn sie uns Kindern Geschichten erzählten und uns das Wendland näher brachten. Die Gebräuche und Sitten haben mich immer fasziniert, ob es der Helljäger war, der in den Raunächten zwischen Weihnachten und Neujahr durch die Luft braust, der Druak, der im Uhlenloch lebt, – oder der wendländische Düwwelsüger, der sich selbst aussaugt und alle Familienmitglieder in den Tod holt. Es gibt so viele Geister im Wendland. Die Wenden glaubten an ihre Götter, sie glaubten auch an Todesgeister, Wasserfrauen, Zwerge, an die ‚Unnererdschen‘, an Wald-, Erd- und Luftgeister.“ Von all diesen Wesen und Vorkommnissen erzählt dieses Buch in wunderbar unterhaltsamer Form. „Nichts fürchteten wir mehr als Omas Worte: ,Slapen gahn!‘ Und so manches Mal konnte ich die ganze Nacht nicht schlafen“, schmunzelt Stiwich.

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