Wege ins Wendland

Gekommen, um zu bleiben? / Clenzer Schüler und Lehrer berichten

em Clenze. Wo komme ich her? Wo will ich hin? Zwei einfache Fragen, die situa­tionsbedingt leicht zu beantworten sind. Aber auf das ganze Leben bezogen, fällt die Antwort schwerer. Denn wo wir herkommen, wo wir hinwollen und wo wir letztendlich gerade im Leben stehen, ist von Umständen und Faktoren abhängig, die wir manchmal wenig oder gar nicht beeinflussen können. Auch Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der KGS Clenze haben sich kürzlich mit diesen Fragen beschäftigt. Ihre Ergebnisse präsentierten sie unlängst im Rahmen des „Klang-Kunst-Cafés“ in vorweihnachtlicher Atmosphäre unter dem Motto „Wege und Brücken“. Diese Veranstaltung wird regelmäßig von dem Fachbereich musische und künstlerische Bildung der Schule organisiert.

Unter dem Titel „Wege nach Clenze“ stellte die Guppe für Frieden- und Demokratiebildung, die zuletzt durch ihre Aktion „Kreuze ohne Haken“ bekannt wurde, eine Welt­karte vor, die die Wege interna­tionaler Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte aufzeigte. Kolumbien, Südafrika, Spanien, Frankreich, Türkei, Russland, Polen und Ukraine – viele Kulturen treffen in Clenze aufeinander, um miteinander zu lernen und zu leben.

Der Kiebitz hat nachgefragt, welcher Weg die einzelnen Gruppenmitglieder – abgesehen von aktuellen Kriegsgeschehen – ins Wendland geführt hat, wie es ihnen hier geht – und ob sie gekommen sind, um zu bleiben.

Antonio Rísquez Arce aus Cordoba in Spanien konnte sich nach Anerkennung seiner Lehrerausbildung an Schulen in ganz Niedersachsen bewerben. „In Clenze haben mir die Schule und die Menschen so gut gefallen, dass ich geblieben bin“, sagt der 39-jährige Spanier. Ein Wermutstropfen sei jedoch die schlechte Infrastruktur. Als ehemaliges Großstadtkind, Cordoba ist zweimal so groß wie Braunschweig, war es für ihn eine große Umstellung, wieder auf das Auto angewiesen zu sein. Und trotzdem zieht er in Betracht, im Wendland auf dem Lande sesshaft zu werden.

Der gebürtige Pole Karol ist 14 Jahre alt und ins Wendland gezogen, weil sein Vater hier Arbeit gefunden hat. Ebenso erging es der 14-jährigen Maja, deren Vater hier eine Anstellung als Lkw-Fahrer fand. Da Karol schnell Anschluss im Handball- und Fußballteam gefunden und somit viele neue Freunde gewonnen hat, kann er sich gut vorstellen, für immer hierzubleiben. Die junge Polin hingegen nicht. Für ihren Geschmack gebe es hier auch zu wenig McDonalds.

Die Brüder Arijan und Adin Bibuljica, 16 und 10 Jahre alt, sind mit ihren Eltern aus politischen Gründen aus Montenegro nach Deutschland geflohen. Dass sie hier in Clenze gelandet sind, „war eher Zufall, vielleicht aber auch Schicksal“, sagt Arijan. Er blickt auf positive Erfahrungen in Clenze zurück. Er habe schnell Freunde gefunden und fühle sich deshalb sehr wohl. So war es auch bei seinem jüngeren Bruder Adin. Der Zehnjährige wolle auf jeden Fall hierbleiben – wegen seinen Freunden, den aufgeschlossenen Menschen und weil er hier mittlerweile viele Verwandte hat. Beide Brüder spielen aktiv und erfolgreich Fußball und Handball im Clenzer Sportverein.

Maria Fischer aus Kasachstan ist Vertretungslehrerin an der KGS Clenze. Aufgrund nationalistischer Bestrebungen nach dem Zerfall der Sowjetunion musste die sogenannte Russlanddeutsche ihre Heimat verlassen. „Das Kollegium und die Schüler hier im Wendland sind wirklich klasse“, sagt sie. Die KGS mit ihrer musikalischen Struktur und den Big Bands empfinde sie als etwas ganz Besonderes. Was der diplomierten Musiklehrerin aufstößt, ist, dass das Kultusministerium trotz Lehrermangel in Niedersachsen ihre Ausbildung nicht anerkennt und sie deshalb nur als Vertretungskraft arbeiten kann. Für Menschen, die neu ins Wendland kommen, wünscht sie sich, dass sie genauso freundlich und herzlich aufgenommen werden wie sie selbst. Für diejenigen, die aus Not ins Wendland gekommen sind, ist sie sich sicher, dass sie mit dem gleichen Engagement und Wertschätzung in Empfang genommen werden wie die vielen ukrainischen Kinder, die sie an der KGS Clenze betreut.

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