„Ja, ich will!“

Andrea Baldemair organisierte einen Tanzworkshop mit Brautkleidern

bm Sammatz. Es gibt eine Geschichte von einem deutschen Soldaten, der seiner Zukünftigen für ein Hochzeitskleid Fallschirmseide aus Frankreich schickte. Das war 1943. Die Braut in spe ließ daraus das Kleid schneidern, doch der Soldat fiel noch vor der Hochzeit. 1949 heiratete die Frau einen anderen Mann – in dem Brautkleid aus Fallschirm­seide.

Brautkleider sind etwas Besonderes. Meistens werden sie nur einmal getragen und verschwinden dann im Schrank oder in einer Truhe. Oder werden umgenäht für eine andere Verwendung. Manche erleben sogar eine Art Comeback in Form einer weiteren Hochzeit, vielleicht sogar die der nächsten Generation. Auf jeden Fall hat jedes Kleid seine Geschichte. Genau wie die Frau, die das Kleid getragen hat. Darüber machte sich Andrea Baldemair Gedanken. Die Hitzackeranerin ist Psychologin und arbeitet als Tanztherapeutin in einer Psychiatrischen Klinik. Im vergangenen Jahr veranstaltete sie ein Tanzprojekt mit dem Titel „Brautkleid reloaded“. „Zustande kam dieses Projekt eigentlich eher zufällig. Ich habe mich mit meiner Freundin über Brautkleider unterhalten. Wir sind beide nicht verheiratet, wollten aber gerne einmal mit Brautkleidern spielen. Dabei ging es unter anderem um das Ausprobieren der Bewegungsfreiheit in den unterschied­lichen Kleidern. Außerdem arbeite ich gerne in naturnahen Räumen, in denen die Menschen sich begegnen können.“

Die Burg in Lenzen erschien dafür als ein geeigneter, romantischer und schöner Ort, um dort zu filmen, sich zu begegnen und auszutauschen. „Die Resonanz war sehr gut: Überraschend war, dass ich zuerst alles spielerisch ge­stalten wollte, die Teilnehmerinnen sich aber schon mit dem Thema auseinandergesetzt hatten und einige schon mitten in einem Prozess ­waren.“

Die einstigen Bräute brachten fast alle ihre Kleider mit. ­Andrea Baldemair kaufte sich zusätzlich Kleider aus dem ­Secondhandshop und lieh sich welche aus. „So konnten die Frauen sich die Kleider auch aussuchen – wenn sie wollten. „Die Bewegungsfreiheit spielte eine große Rolle.“

„Bei dem Thema ging es dann auch darum, sich zu trauen, abgeleitet von dem Wort „Trauung“. Eine der Teilnehmerinnen empfand das Tragen ihres alten Kleides als einen „Wechsel in eine Heilungsebene“. Sie empfand es als ein Wachrufen der eigenen Geschichte, als Sehnsucht, etwas auszudrücken. Am Ende stand für sie ein klares „Ja, ich will – mein Leben annehmen mit meinen Schattenseiten“. Außerdem war sie seit Jahren glücklich verheiratet. Sie empfand es als eine zweite, innere Hochzeit. „Und Heilung hat immer etwas mit Verbindung schaffen zu tun – mit der Natur, mit den anderen Frauen.“ Es wurde viel gelacht und viel geweint, Gefühle wurden in Form eines Tanzes ausgedrückt. „ Eine Teilnehmerin hatte das Brautfoto ihrer Mutter dabei, welches einen Riss hatte. Ihren Schmerz darüber drückte sie tänzerisch aus, was entlastend für sie war.“ Die Mischung sei bunt gewesen. „Einige waren immer noch und zum ersten Mal verheiratet, einige zum zweiten Mal, andere getrennt.“

Die Szenen seien sehr berührend gewesen, viele Fragen seien aufgekommen: „Was macht der Schleier? Er verhüllt und offenbart.“ Baldemair selbst trug ein gekauftes Kleid. „Das Kleid von meiner Mutter wollte ich nicht nehmen. Da hing für mich zu viel dran. Ich experimentierte mit den Kleidern, ging ins Wasser oder legte mich auf eine Wiese. ­Alles, was man mit einem Hochzeitskleid eigentlich nicht macht.“ Frage: Gibt es ein weiteres „Reloaded“? „Ich würde es mir wünschen.“

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