Stephan Weil war „not amused“

Archiv-Lesung: Thorsten Hensel über seinen Kampf für die Bahn

bv Groß Heide. In Vorbereitung auf den Abend in Groß Heide habe er „über 20 Ordner vom Fahrgast-Rat durchgeschaut, was ich vorlesen kann“. Und was Thorsten Hensel für den Eisenbahn-Abend, eine Veranstaltung des Archivs der unveröffentlichten Texte, an Korrespondenzen fand, die er mit der Niedersächsischen Staatskanzlei führte, ließ nicht nur aufhorchen, sondern die Zuhörer in der Gaststätte Schulz oft auch laut auflachen. Zu absurd ist der Kampf, den der wendländische Don Quijote seit 20 Jahren gegen die Windmühlen der straßenverliebten, die Eisenbahn fürchtenden Behörden führt. Denn Hensel versucht, alte Bahnstrecken zurück ins Leben zu holen oder zerstörte Strecken wieder herstellen zu lassen. Eine ebenso schwierige wie langfristige Aufgabe. Doch Hensel lässt sich nicht abschrecken. Er ist so hartnäckig, dass auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ihn inzwischen kennt und – fürchtet. Es sei ein „ewig währender Kampf, für die Bahn, fürs Wendland“, berichtet Hensel, der seit 2007 im Landkreis lebt, sich der Region aber schon viel länger verbunden fühlt.

Bahn braucht Zeit, so Hensel: Der Bau der Strecke von Uelzen nach Dannenberg zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe 19 Jahre gedauert. Natürlich gibt es auch Erfolge: Das die Wendlandbahn nach Lüneburg überhaupt erhalten wurde, ist Hensel und seinen Mitstreitern zu verdanken. Die Forderungen, die Bahn als umweltfreundliches Verkehrsmittel zu erhalten und auszubauen, wurde 2007 vom Fahrgastrat formuliert. Zwei Forderungen damals: Ausweitung des HVV-Tarifs bis Dannenberg, und Erhöhung des Taktes. Im Jahr 2022 ist beides erreicht. Allerdings soll bald auf mehrere Haltepunkte verzichtet werden, um die Höchstgeschwindigkeit zu erhöhen, was die Fahrzeit auf 55 Minuten senkt und einen Zweistundentakt möglich macht.

Der 2018 gegründete Förderverein Jeetze(l)talbahn hat sich zum Ziel gesetzt, die Bahnstrecke von Dannenberg über Lüchow – Wustrow nach Salzwedel und weiter nach Oebisfelde zu reaktivieren, um eine durchgehende Verbindung von Lüneburg über Lüchow-Dannenberg und Altmark nach Wolfsburg zu schaffen. Erstes Ziel ist die Reaktivierung der Strecke zwischen Dannenberg und Wustrow für den Freizeit- und Güterverkehr. Hensel beschreibt das Fernziel: die Verbindung zwischen Dannenberg, Lüchow, Wustrow, Salzwedel, Klötze und Oebisfelde bis nach Wolfsburg zu reaktivieren. „Das mag manchem völlig utopisch vorkommen. Aber ohne eine nachhaltige, ökologische Infrastruktur wird es schwer werden, die Region wirtschaftlich zu entwickeln“, so Hensel. „Das Argument der Landesregierung, es sei kein Geld da, zählt nicht“, so Hensel. Üppige Mittel aus der Mehrwertsteuererhöhung etwa würden lieber im Straßenbau eingesetzt, anstatt Bahnstrecken zu fördern.

Ministerpräsident Weil kennt – und fürchtet Hensel inzwischen. Weil weiß, das es Hensel ernst ist. Auftakt war am 6. April 2018 – Weil ist in Lübeln, nicht öffentlich. Hensel erfährt zufällig von dem Termin: er muss einen Präsentkorb für die SPD schnüren. Hensel will die über zwei Jahre gesammelten 4000 Unterschriften für den Lückenschluss von Lüchow nach Salzwedel direkt übergeben. Weil ist überrumpelt, nimmt die Ordner aber an. Schon fünf Tage später Antwort aus Hannover: die Anfrage werde intern weitergeleitet. Drei Monate später erneut ein Schreiben: Negativ. Die Strecke sei unwirtschaftlich, auch liege sie hauptsächlich in Sachsen-Anhalt. Nächster Auftritt Weil in Lüneburg bei der Handwerkskammer der IHK im November 2018. Hensel, selber aktiv in der IHK, fuhr hin und wies den Ministerpräsidenten erneut auf sein Anliegen hin. „Weil war not amused“, erinnert sich Hensel, fühlte sich aber zu einer schriftlichen Antwort verpflichtet. Die etwas genervt ausfiel: Die Position des Ministeriums habe sich „nicht geändert“. 2022: Wahlkampf, Weil verteilt Rosen in Lüchow. Er kommt auch in den Wendlandmarkt von Hensel. Die Falle schnappt zu. Hensel konfrontiert Weil erneut mit seinem Anliegen, und Weil will wissen, was er damals geantwortet habe. „Das sag ich Ihnen jetzt nicht“, so Hensel schlagfertig. „Meine Position wird sich nicht geändert haben“, entgegnet Weil. Aber Hensel bleibt am Ball.

Am Ende zitiert Hensel aus einem Schreiben des Finanzamtes. „Ein gemeinnütziger Verein muss gemeinnützige Ziele verfolgen. Das ist bei Ihnen nicht erkennbar“. Auch sei der Verein VCD Lüchow-Dannenberg nicht bekannt. „Sollten Sie den Verkehrsclub Deutschland Kreisverband Lüchow-Dannenberg gemeint haben, wäre Ihre Satzung entsprechend abzuändern.“ Ungläubiges Lachen im Saal. „Es ist ein langer Weg“, so Hensel lakonisch.

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