„Das ist für mich selbstverständlich“

Tayfun Fleischer kümmert sich um Gräber von Zwangsarbeitern

bv Bergen. Wer durch Bergen fährt, ahnt, dass es glanzvolle Zeiten in dem Flecken gegeben haben muss. Großzügige zweigeschossige Wohnhäuser prägen den Ortskern, deren oft kläglicher Zustand allerdings auch verrät, das diese Glanzzeiten lange vorbei sind.

Die ehemals prachtvollen Fachwerkhäuser künden vom wirtschaftlichen Aufschwung, als der Handel mit Leinenwaren aus dem südlichen Wendland dem Flecken eine Blütezeit bescherte. Ein Brand legte 1840 den größten Teil des Ortes in Schutt und Asche. Der Wiederaufbau ab 1840 wurde durch die meist in Fachwerk errichteten Gebäude, sogenannte Ackerbürgerstellen mit landwirtschaftlichen Nebengebäuden, geprägt, sie erhielten zur Straße hin oft Putzfassaden. Dazwischen existierten Gewerbebetriebe – eine Brauerei, eine Brennerei, eine Leineweberei. Der wirtschaftliche Niedergang der Region seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat zum Erhalt der damaligen Baustruktur geführt. Das spätklassizistisch geprägte Ortsbild gilt als das besterhaltene in Lüchow-Dannenberg. Der Zweite Weltkrieg hat nicht viele Spuren hinterlassen – außer auf dem Friedhof. „Auf diesem Friedhof ruhen in einer kleinen, sehr ungepflegten Gräberstätte im vorderen linken Teil insgesamt sechs Tote des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Im Einzelnen: zwei belgische Zwangsarbeiter, eine namentlich bekannte Zwangsarbeiterin und ein unbekannter polnischer Zwangsarbeiter, ein ukrainischer Zwangsarbeiter sowie ein deutscher Flüchtling. Sie starben alle im Zeitraum Mitte April bis Anfang Mai 1945.“ So ist es im Internet nachzulesen, auf einer Seite des Volkbundes Deutsche Krieggräberfürsorge.

„Sehr ungepflegt“ waren diese Grabstellen bis zur vergangenen Woche – bis Gartenbauer Tayfun Fleischer mit seinen Mitarbeitern anrückte und sich der Grabstellen annahm. Doch Fleischer macht dies nicht gegen Geld. Er macht es ehrenamtlich. Für Fleischer, der selbst acht Jahre als Soldat gedient hat und im Kosovo und in Afghanistan stationiert war, ist es „eine Selbstverständlichkeit“, dass auch dieser Kriegstoten würdevoll gedacht wird. „Eigentlich hätte diese Aufgabe ausgeschrieben werden müssen, hat mir unsere Bürgermeisterin Heidi Schulz berichtet. Zu aufwendig! Dann machen wir das lieber ehrenamtlich nebenbei mit“, begründet Fleischer sein selbstloses Tun.

„Leider weiß man über die Kriegsgefangenengräber nicht viel“, berichtet Fleischer. „Es waren Zwangslandarbeiter und -helfer, die während ihres Einsatzes ums Leben gekommen sind. Einer soll auf eine Mine gefahren sein und so zu Tode gekommen sein, heißt es.“

Nicht nur pflegt der Gartenbauer die Grabstelle der teilweise namenlosen Opfer des Weltkrieges. Er pflegt auch die Grabstelle des Ehepaares Heinrich und Sophie Jeberjahn. Da Jeberjahn aber ein bedeutender Stifter für den Ort war, möchte die Gemeinde auch dessen Andenken erhalten – Fleischer übernahm auch dies ehrenamtlich.

Der Zweck der Jeberjahnschen Stiftung war „die unentgeltliche Aufnahme und Pflege von erkrankten und siechen Einwohnern im Kirchspiel Bergen – ohne Unterschied des Glaubens oder des Standes“, so ist es im Testament von 1912 hinterlegt. Die Stiftung wird bis heute von der Gemeinde im Sinne von Heinrich Jeberjahn geführt. Und sogar um eine dritte Grabstelle kümmert sich das Team von Fleischer, der seit einiger Zeit das alte Bergener Rathaus als seine neue Firmenzentrale ausbaut: um jene von Hermann Ruprecht aus Banzau. Auch dessen Andenken gelte es zu bewahren. auch er hatte Geld hinterlassen, mit der Verfügung, dass es Kindern zugutekommen möge. Und auch dessen Andenken soll bewahrt werden – und auch dort kann sich Schulz auf Fleischer verlassen.

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